Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
gegangen. Oder besser gesagt: Ihr Pfleger hatte sie in ihrem Rollstuhl geschoben, während die Mädchen neben ihr spaziert waren, gefolgt von Mrs Flowers und Peter. Die Mädchen waren so glücklich gewesen, und Katie hatte ihr Geschichten von ihrem Tag in der Schule und von ihrer neuen besten Freundin erzählt. Dot hatte sie dabei immer wieder unterbrochen, wenn sie versuchte, etwas zur Unterhaltung beizusteuern.
Leigh Anne kämpfte vergebens gegen die Tränen und die Depressionen an, und sie musste sich auf einen Finger beißen,um nicht laut zu schluchzen. Nie wieder würde sie mit den Mädchen durch den Park laufen können.
Wie hatte sie nur früher ihre Gesundheit, die Fähigkeit, aus eigener Kraft zu stehen und zu gehen, und ihr Leben als etwas so Selbstverständliches ansehen können?
Es war nicht das erste Mal, dass sie sich fragte, ob sie wohl bestraft worden war, weil sie vor vier Jahren ihren Mann verließ. Dabei war sie überhaupt nie davon ausgegangen, dass sie ihn tatsächlich verlassen würde. Sie hatte fest geglaubt, er werde ihr folgen und sie sofort wieder nach Hause zurückholen, um dort noch einmal mit ihr neu anzufangen. Wie naiv, egoistisch und dumm sie doch gewesen war!
Wie es schien, war er ihr aber tatsächlich gefolgt. Mehr Tränen stiegen ihr in die Augen. Allem Anschein nach war er ihr nach Europa nachgereist, jedoch ohne sich zu erkennen zu geben. Und so machte er sich allein auf den Rückweg. Hätte sie doch gewusst, dass er dort war, dann hätte sie alles unternommen, um ihn zu finden und mit ihm zurückzureisen.
Doch sie hatte nichts davon gewusst, also wartete und wartete sie, bis die eineinhalb Jahre vergangen waren, die sie sich selbst auferlegt hatte, und begriff, dass ihre Ehe möglicherweise wirklich am Ende war.
Irgendwann erfuhr sie davon, dass er sich eine Geliebte genommen hatte, eine hübsche Frau, die nur ein wenig älter war als er selbst, eine Witwe, eine Intellektuelle, eine Frauenrechtlerin so wie seine Mutter. Der Schmerz war schrecklich gewesen, doch sie hatte ihn nicht zulassen wollen. An manchen Tagen war sie fest davon überzeugt gewesen, er betrete jeden Moment das Zimmer, um sie nach Hause zu holen.
Doch er war nie zu ihr gekommen, jedenfalls nicht nach dem ersten Mal, als er gefolgt war. Schließlich musste sie nach Hause zurückkehren, um sich um ihren kranken Vater zu kümmern. Sie versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass siebeide nicht mehr der Ozean trennte, sondern lediglich eine kurze Bahnreise zwischen ihnen lag. Als sie dann von Bartolla erfuhr, Rick habe sich in eine andere Frau verliebt, da war sie mit dem nächsten Zug sofort nach New York gefahren.
Nie würde sie die Verachtung vergessen, die in seinem Blick lag, als sie sich wiedertrafen.
Und nun sagte er, er wolle sich um sie kümmern. Sie sah zur Decke hinauf, während sie gleichzeitig lachte und weinte. Niemals! Das würde sie nicht zulassen!
Sie wischte sich die Augen. Glaubte er tatsächlich, er könne bei öffentlichen Auftritten von einer Frau in einem Rollstuhl begleitet werden? Wollte er sie selbst schieben, oder würde dann auch stets ein Pfleger anwesend sein? Und glaubte er vielleicht, sie sei in der Lage, bei ihnen zu Hause Partys zu geben, wenn sie sich nicht einmal ohne fremde Hilfe zur Toilette begeben konnte? Die Tränen liefen ihr über die Wangen. Und was, wenn sie sich lieben wollten? Sie wusste nur zu gut, wie sexuell aktiv ihr Ehemann gewesen war. Wollte er von nun an abstinent leben? Sie lachte laut auf. Erwartete er vielleicht, sich eine Geliebte nehmen zu können, die sie stillschweigend zu dulden hatte? Sie verspürte einen Stich im Herzen. In ihrem jetzigen Zustand würde er sie ganz sicher nicht anfassen wollen!
Um zu verhindern, dass ihr ein lauter Schluchzer über die Lippen kam, presste sie die Hände vor den Mund. Sie hasste sich für ihr Selbstmitleid, doch sie war weder eine Märtyrerin noch eine Heldin. Francesca Cahill war eine tapfere, mutige Frau. Sie würde auch als Krüppel einen Weg durchs Leben finden, wenn das Schicksal es so grausam mit ihr meinte. Leigh Anne wusste, sie hätte niemals zurückkehren dürfen. Er verdiente ein Leben mit Francesca.
Das Geräusch der sich schließenden Haustür unterbrach ihre Gedanken.
Ihre Tränen versiegten prompt, sie hielt beunruhigt inne und lauschte angestrengt. Als sie dann seine Stimme im Erdgeschoss hörte, sank sie in verzweifelt in sich zusammen. Rasch atmete sie tief durch, trocknete mit dem Bettlaken
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