Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
verschwenderisch mit dem Geld meiner Familie umzugehen. Rathe und Grace wollten mir ein Haus kaufen, doch ich habe es abgelehnt. Ich bin alleinstehend, da komme ich mit einem einzelnen Zimmer durchaus zurecht. Es genügt bereits, dass sie meine Ausbildung bezahlen und für all meine Ausgaben aufkommen. Ich versuche, sparsam zu sein.“
„Ich könnte nicht behaupten, dass mich das überrascht“, sagte Francesca.
„Rourke, ich habe einen Scherz gemacht“, warf Hart ein. „Du wirst hier bei mir bleiben. Ich habe Dutzende unbenutzter Schlafzimmer. Hier ist Platz genug.“
„Ich werde darüber nachdenken“, antwortete Rourke. „Vielen Dank.“
„Du sparst das Geld, das du für die Miete ausgeben müsstest“, machte Hart ihm klar.
Francesca fasste Rourke am Ärmel. „Er braucht die Gesellschaft – und dazu den moralischen Rückhalt, den du ihm bieten kannst.“
Unwillkürlich begann Rourke zu lachen.
Francesca lachte ebenfalls, doch sie hatte die Bemerkung ernst gemeint. Als sie Hart zum ersten Mal begegnet war, da lebte er noch allein in diesem riesigen Haus. Seit aber Rathe und Grace zusammen mit dem jungen Nicholas D’Archand – dem Neffen von Rathe – nach New York zurückgekehrt waren, hatten sie es sich bei ihm gemütlich gemacht. Rourke hatte es sich ebenfalls angewöhnt, immer öfter vorbeizuschauen, und wenn er in der Stadt war, quartierte er sich jedes Mal bei Hart ein. Inzwischen war Francesca zu der Überzeugung gelangt, dass der Calder Hart, den sie Ende Januar kennen gelernt hatte, bis zu diesem Tag ein einsamer Mensch gewesen war – auch wenn er das vehement abgestritten hätte. Und ebenso sicher war sie, dass es ihm gefiel, nun von so vielen Mitgliedern seiner Familie umgeben zu sein.
Hart ging zu Rourke und klopfte ihm auf die Schulter. „Sie hat völlig recht. Jetzt, da ich im Begriff bin, meine Tage als Lebemann hinter mir zu lassen, brauche ich ganz massiv moralischen Rück halt.“
„Er hat sich vor meinen Augen in einen anderen Menschen verwandelt“, meinte Rourke grinsend zu Francesca, doch esschien, als meine er es so, wie er es sagte.
Francesca warf ihrem Verlobten einen Blick zu. „Eigentlich stimmt das überhaupt nicht.“ Sie wurde ernst. „Es hat sich im Grunde nichts verändert, lediglich die stachelige Hülle ist verschwunden, die das verbergen sollte, was nun endlich zum Vorschein kommt.“
Harts Wangen schienen leicht gerötet zu sein.
„Das muss wohl Liebe sein“, murmelte Rourke.
Du bist ein ehrbarer und guter Mann, Calder, dachte Francesca, die nicht im mindesten daran zweifelte, dass es so war, wie Rourke sagte.
„Sie hat ein Herz aus Gold. Man muss schon ein kaltblütiger Mörder sein, damit Francesca etwas Schlechtes von einem denkt.“ Hart wandte sich ab und spielte nervös mit seinem Glas.
„Wie gesagt, es muss wohl Liebe sein“, kommentierte Rourke. Sein Blick ließ keinen Zweifel zu – er glaubte, sein Halbbruder sei derjenige, der von Amors Pfeil getroffen worden war.
Hart zuckte nur mit den Schultern.
In diesem Moment betrat Alfred den Raum, doch von den Bediensteten oder dem Abendessen war nichts zu sehen. „Sir? Da ist ein dringender Telefonanruf.“
Er ging zur Tür, doch der Butler hielt ihn auf: „Sir? Der Anruf ist für Miss Cahill.“
Verwundert drehte er sich zu Francesca um, die genauso ratlos war. „Ich schickte Mama eine Nachricht, um sie wissen zu lassen, dass ich bei dir zu Abend essen würde. Wer sollte mich sonst hier anrufen?“ Noch während sie sprach, wusste sie die Antwort.
Es ging um ihren Fall. Etwas war passiert, und Bragg musste sie sprechen.
„Es ist Police Commissioner Bragg, Sir.“
Francesca biss sich verlegen auf die Unterlippe und sah Hart an, der sich nicht anmerken ließ, wie er die Nachricht aufnahm. Sie wartete einen Moment.
„Alfred, zeigen Sie Francesca bitte, wo sich das Telefon befindet. Ich nehme an, dass wir später zu Abend essen werden“, sagte Hart schließlich.
Als sie zur Tür eilen wollte, nahm Hart sie am Arm und flüsterte ihr zu: „Darling, deine Schuhe.“
13. KAPITEL
Donnerstag, 24. April 1902
21 Uhr
Die Wohnungstür stand weit offen. Francesca sah Bragg und Newman zusammen in der winzigen Wohnung. Ein Polizist in seiner blauen Uniform hielt im Treppenhaus Wache und nickte Francesca zu, als sie zusammen mit Hart eintrat.
Bragg sah auf und stutzte einen Moment, als er seinen Halbbruder erkannte.
Francesca sah an ihm vorbei zu dem Bett, in dem die Leiche von Kate
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