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Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Cross
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oben«, sah Jean darüber hinweg. »Finden Sie nicht auch?«
    Der Blick über das Tal war in der Tat atemberaubend schön. Wie von Gottes Hand geformt, erhoben sich mehrere Anhöhen zwischen den Tälern, die sich, teils von Wäldern bedeckt, in riesige Felsmassive verwandelten, so wie jenes, das südlich von ihnen in den Himmel ragte.

    »Ein majestätischer Anblick, nicht wahr, junger Freund?«
    »Das kann man wohl sagen«, nickte Mike ehrfürchtig.
    »Das ist der Pic de Bugarach«, erläuterte Michelle.
    »Der Heilige Berg der Region«, ergänzte Jean. »Manchmal leuchtet er sogar.«
    »Ein Berg, der leuchtet?«, fragte Mike, belustigt über die Vorstellung eines Lichtkegels, der das Massiv wie Zuckerguss auf einem wohlschmeckenden Kuchen umgeben sollte. »So etwas gibt’s doch gar nicht!«
    »Doch, junger Freund!«, belehrte ihn Jean. »Unter bestimmten Konstellationen ist das möglich.«
    »Und wie soll das gehen?«
    »Alchemie, Magnetfelder, elektrostatische Ladungen – niemand weiß es genau!«, sagte Michelle.
    »Und wieso ist das ein heiliger Berg?«, erkundigte sich Mike.
    »Das rührt aus alten Zeiten her«, erklärte Jean. »Sie kennen den Berg Sinai? Sehen Sie, junger Freund: Der Pic de Bugarach weist große Ähnlichkeit mit diesem Berg auf.«
    »Ich denke, das ist ein Zufall«, reagierte Mike spontan, geriet aber plötzlich ins Zweifeln. Hatte Jean diesen Hinweis mit Bedacht gewählt? »Oder wollen Sie behaupten, ein Berg in dieser Region soll etwas mit dem Berg Sinai zu tun haben?«, fragte Mike.
    »Der Berg Sinai war jener Berg, wie Sie sicher wissen, an dem Gott Moses die zehn Gebote übergab, die später in der Bundeslade aufbewahrt wurden. An diesem Ort trafen sich also Gott und Mensch. Er ist die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Wenn Sie die biblischen Psalter studieren, werden Sie sogar feststellen, dass er mit Gott gleichgesetzt wurde. Das alles machte diesen Ort heilig.«
    »Wir sprechen jetzt aber vom Berg Sinai – und nicht vom Bugarach, vermute ich?«
    »Hatten Sie einen anderen Eindruck?«, lächelte der alte Mann sanftmütig und wandte sich Michelle zu.
    »Könnte ich bitte einen Schluck Wasser haben?«, fragte er. Hilfsbereit nahm Michelle die Wasserflasche und einen Becher aus ihrem Rucksack, während Mike weiterhin gebannt auf den Pic de Bugarach starrte, der den Horizont dominierte. Er musste an Poussin denken, an den Hinweis auf Arkadien als das Tal, in dem Götter und Menschen nebeneinander wohnten.
    »Dann sind beide Berge praktisch identisch?«
    »Das habe ich so nicht gesagt!«, belehrte ihn Jean. »Sowohl Sinai als auch Bugarach sind eigenständige und einzigartige Berge, aber sie sind zwei Seiten einer Medaille. Ohne Bugarach kein Sinai und ohne Sinai kein Bugarach!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Denken Sie darüber nach«, ermunterte Jean seinen Schützling. »Vielleicht kommen Sie alleine darauf!«
    Zwei Seiten einer Medaille? Yin und Yang, das Prinzip des Dualismus, das kannte er. Wenn zwei Dinge zusammengehörten, konnte kein Teil ohne den anderen bestehen. So, wie es bei den beiden Bergen der Fall zu sein schien? Eine verrückte Idee! Laut Jean waren sie miteinander verbunden – nur auf welche Weise?
    »Alpha und Omega!«, sagte Jean mit belehrend erhobenem Zeigefinger. »Der Anfang und das Ende.«
    Mike begriff jedoch nicht, was er ihm damit andeuten wollte. »Möchten Sie auch einen Schluck Wasser, Monsieur Dornbach?«, fragte Michelle ihn.
    »Gute Idee!«, erklärte Mike, durch das Nachdenken hatte er fast seinen Durst vergessen, trotz der schwülen Hitze. Die relativ dichte Wolkendecke schützte sie zwar vor den sengenden Strahlen der Mittagssonne, die Temperaturen waren allerdings, wie auch die vergangenen Tage schon, nur durch das laue Lüftchen zu ertragen, das hier oben wehte.
    »Danke, das hat gutgetan!«
    »Dann können wir ja weitergehen«, schlug Jean vor, während Michelle die Sachen wieder in ihrem Rucksack verstaute.
    »Hier war übrigens früher einmal eine Templerfestung«, erklärte Jean und deutete mit seinem Spazierstock auf einige wenige Steine, die die Zeit überdauert hatten und von der einstmals stolzen Festung zeugten. Die Relikte einer mysteriösen Vergangenheit.
    »Das ist nur eine von drei Templerfestungen, die Sie in dieser Gegend finden werden«, berichtete Michelle. »Die Templer waren hier sehr aktiv, müssen Sie wissen, Monsieur Dornbach.«
    »Es war der vielleicht wichtigste Orden jener Zeit«, ergänzte Jean. »Weil sie die Träger

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