Es wird Dich rufen (German Edition)
hatten in diesen Tagen Hochkonjunktur.
»Hat er nicht das Ende der Welt vorhergesagt?«, fragte Mike.
»Das Ende der Zeit!«, korrigierte der alte Mann. »Er sprach davon im Zusammenhang mit einem großen Schreckenskönig. Um genau zu sein, erwähnte Nostradamus den siebten Monat des Jahres 1999, in dem am Himmel ein großer Schreckenskönig erscheinen wird, der den großen König von Angoulême – das ist eine französische Königsstadt – wieder auferstehen lassen wird.«
»Das hätte dann ja schon geschehen müssen«, warf Mike ein. »Der Juli ist doch praktisch schon vorüber und ich habe weder etwas von einem Schreckenskönig noch von einem neuen großen König Frankreichs erfahren.«
»Sie begehen einen Denkfehler!«, widersprach Jean. »Nostradamus hat nach dem julianischen Kalender gerechnet, das bedeutet, dass mit dem siebten Monat der August gemeint ist.«
Jean wusste, wovon er sprach. Nicht ohne Grund hatte er diesen Vers aus Nostradamus zehnter Zenturie im Kopf. Er wusste um die wahre Bedeutung der Prophezeiung – und er kannte den Moment, in dem sich das Schicksal der Welt entscheiden würde. Dieser war schon sehr nahe gekommen.
»Dann ist der Schreckenskönig am Himmel wohl die Sonnenfinsternis?«, fragte Mike.
»Das haben Sie gut erkannt, junger Freund. Es ist die Zeit der Schwarzen Sonne. Die Zeit, in der die Vergangenheit zur Zukunft wird und umgekehrt.«
»Und das ist dann also das sogenannte Ende der Zeit?«
»Exakt! Sie sagen es.«
Mike war argwöhnisch. Es überstieg seine Vorstellungskraft, dass man ernsthaft an derlei Vorhersagen glauben konnte. Spätestens sobald die Sonnenfinsternis hinter ihnen läge und das Großereignis in Vergessenheit geriete, würde alles wieder in seinen geregelten Bahnen verlaufen.
»Nein, ich glaube nicht, dass das Ende gekommen ist!«
»Ich will es nicht hoffen«, sagte Jean. »Prophezeiungen sind glücklicherweise nicht festgeschrieben. Wer die Zeichen der Zeit kennt, kann sie verändern.«
»Nostradamus weilte übrigens auch hier in diesem Château«, schaltete sich Pellier wieder ins Gespräch ein, nachdem er den beiden lange Zeit schweigend zugehört hatte.
»Nostradamus war auch hier?«, war Mike überrascht. Gab es eigentlich irgendetwas Bedeutsames, das nicht in dieser Gegend geschah?
»Zur Zeit der Pestepidemie lebte er in Montpellier«, erklärte der Museumsleiter. »Um sich vor der Krankheit zu schützen, haben sich die Studenten gerne in die Umgebung zurückgezogen. Viele verbrachten ihre Zeit auch in den Pyrenäen. Nostradamus war im Aude-Tal unterwegs und hat hier nach Heilpflanzen gesucht.«
»Ist das sicher?«, fragte Mike stirnrunzelnd.
»Drüben in Alet-les-Bains können Sie noch heute das Haus sehen, in dem er gewohnt hat!«, sagte Jean. »Nostradamus war hier – und wir wissen, dass er mit dem Geheimnis von Rennes-le-Château vertraut gemacht wurde.«
»Sie meinen …«, Mike hatte einen Verdacht, »Sie wollen mir damit aber nicht sagen, dass das Geheimnis von Rennes-le-Château und die angeblich seherischen Fähigkeiten von Nostradamus und des Johannes von Jerusalem in irgendeiner Beziehung stehen?«
»Haben Sie sich nie gefragt, junger Freund, weshalb Nostradamus keine Angst vor der Pest hatte? Und halten Sie es für ausgeschlossen, dass das damit zusammenhing, dass er den genauen Zeitpunkt und die Art seines Todes bereits kannte – lange bevor er starb?«
Mike war nun vollkommen verwirrt.
»Einen Moment bitte! So langsam wird es mir ein bisschen zu viel«, sagte er kopfschüttelnd. »Zuerst der Gral, dann die Bundeslade, jetzt soll es mit Zukunftsschauen zu tun haben. Was kommt als Nächstes? Eine Ufo-Basis? Außerirdische, die hier leben?«
»Ich habe hier noch nie ein Ufo gesehen«, entgegnete Pellier. »Außerirdische gibt es unter uns nicht«, ergänzte Jean und fügte mit einem verschmitzten Lächeln hinzu. »Es begegnen mir nur gelegentlich Menschen, die hinter dem Mond leben.«
»Das ist nicht witzig«, sagte Mike trocken.
»Das sollte es auch nicht sein«, bemerkte der alte Mann. »Ich wollte Sie damit nur mit den Grundprinzipien der Welt vertraut machen. Es ist auch hier ein Dreiklang. Es gibt drei Geheimnisse. Das erste schützt das zweite und das zweite das dritte, das eigentliche Geheimnis. Es ist das Geheimnis des Lebens. Das Geheimnis der menschlichen Natur und ihrer Existenz. Das größte Geheimnis, das die Welt kennt. Nur sind die wenigsten dazu in der Lage, es zu erkennen – obwohl in jedem von uns
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