Es wird Dich rufen (German Edition)
zu. »Möchten Sie übernehmen?«
»Gerne«, nickte der Museumsleiter. »Wir waren ja bei der offiziellen Gründung des Ordens stehen geblieben. Jean hat Ihnen bereits gesagt, welche Rolle der Orden im Mittelalter spielte. Diese gründete sich auch darauf, dass Papst Innozenz II. im Jahre 1139 eine Bulle verfasste, in der dem Orden die Unabhängigkeit von allen Königen, Fürsten und Äbten garantiert wurde. Das ist unglaublich! Überlegen Sie: Neun Ritter gewinnen innerhalb kurzer Zeit einen solchen Einfluss auf Rom, dass der Vatikan Ihnen bescheinigt, nur und ausschließlich dem Papst unterstellt zu sein. Unvorstellbar!«
»Vielleicht stand der Papst in ihrer Schuld?«, überlegte Mike.
»Denkbar«, nickte Jean. »Ihr Fund im Salomonischen Tempel hat sicher auch ihn interessiert.«
»Jedenfalls«, fuhr Pellier fort, »verbreitete sich innerhalb weniger Jahre der Orden in ganz Europa. Alles schien bestens zu sein, doch der innerste Zirkel ahnte bereits von dem Schicksal, das ihm mit Beginn des 14. Jahrhunderts drohte. Die Templer führten ein von gegenseitiger Toleranz der Religionen geprägtes Leben, was einigen konservativen christlichen Kreisen gewaltig aufstieß.«
»Und den damaligen König von Frankreich, Philipp IV., störte es, dass die Templer unermessliche Schätze angesammelt hatten, von denen er selbst nur träumte«, warf Jean ein.
»Er wollte diese Schätze besitzen«, sagte Pellier, während er auf ein Ölgemälde des erwähnten Königs zeigte. »Am 13. Oktober 1307 setzte Philipp zum Vernichtungsschlag an. Er ließ alle Templer verhaften und deren Vermögen beschlagnahmen.«
»Offenbar sind die Templer allerdings gewarnt worden«, bemerkte Jean. »Als Philipps Mannen zuschlugen, war der größte Teil der Schätze bereits in Sicherheit. Bis heute weiß niemand, wo sich diese Teile des Schatzes befinden.«
»Wurden sie denn nie gesucht?«, fragte Mike.
»Natürlich wurden sie das, junger Freund. Doch die Tempelritter sind äußerst geschickt vorgegangen. Sie verschleierten alle Spuren. Nur ganz wenige Menschen wussten davon – und konnten sich an ihnen bedienen.«
»Dann sind die Templerschätze also in einem besonders raffinierten Versteck«, resümierte Mike. »Ein solcher Fund würde sicherlich Geschichte schreiben.«
»Das mag sein«, sagte Jean. »Aber unterschätzen Sie nicht die Gier der Menschen. Sollten die Schätze jemals wieder auftauchen, würden sie Begehrlichkeiten hervorrufen, die alles ins Ungleichgewicht brächten. Es ist besser, wenn nur diejenigen darum wissen, die in der Lage sind, respekt- und verantwortungsvoll mit den alten Schätzen umzugehen.«
»Mag sein.«
»Das will ich meinen, junger Freund«, nickte der alte Mann. »Wahrscheinlich gibt es ohnehin nur einen einzigen Ort, der den Templern würdig und sicher genug erschien, die Tempelschätze zu beherbergen.«
»Und wo soll das sein?«
»Was denken Sie?«
»Ich weiß es nicht!«
»Dabei habe ich es Ihnen schon verraten …«
Er hatte es ihm schon gesagt, ohne dass Mike es mitbekommen hatte?
Wann mochte das gewesen sein?
Der Journalist erinnerte sich, dass Jean von Rhedae erzählt hatte – eine der drei großen Gotenstädte im Süden Frankreichs. Dorthin sollte ein Teil des Heiligen Schatzes aus Jerusalem gebracht worden sein. Die Spur des Tempelschatzes führte also über Rom nach Südfrankreich.
»Ach so, Moment, Sie meinen …«
Mike glaubte plötzlich, nun die Zusammenhänge zu verstehen und endlich hinter das Wissen des Priesters geblickt zu haben. Ein Mann, der es im Laufe seines Lebens zu beinahe unermesslichem Reichtum gebracht hatte. Und er ahnte, wie ihm das gelungen war.
»Ich habe eine Theorie«, sagte Mike. »Nur eine Frage: Wussten die Templer schon vor ihrer Gründung von dem Verbleib der Schätze?«
»Davon ist auszugehen!«, bestätigte Jean. »Sie haben es wahrscheinlich von den Katharern erfahren, zu deren Aufgabe es ebenfalls gehörte, den Salomonischen Schatz zu hüten. Sie standen damit in einer langen Tradition vieler Vorgänger und Nachfolger, die dieselbe Aufgabe verrichteten – bis hin zu den Herren von Hautpoul.«
»Aber lebten die Katharer denn nicht in Armut?«, wunderte sich Mike. Was also sollten sie mit all dem Gold und Silber anfangen?
»Das ist genau der Punkt«, erklärte Jean. »Sie waren verantwortungsbewusst genug, der Versuchung zu widerstehen. Sie ließen alles unangetastet. Der Schatz war bei ihnen in absoluter Sicherheit.«
»Verstehe«, nickte Mike.
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