Es wird Dich rufen (German Edition)
Mike.
»Merci!«, dankte der Redakteur und nahm es entgegen.
Der Franzose verabschiedete sich mit den besten Wünschen und kehrte hinter die Theke zurück. Für ihn war die Angelegenheit damit erledigt – im Gegensatz zu Mike Dornbach. Erneut fiel dessen Blick auf das seltsame Siegel, das in das Papier eingebrannt war: auf die rote Schlange mit den zwölf Ornamenten, die wie Zahlen auf dem Ziffernblatt einer Uhr angeordnet waren, und auf die beiden lateinischen Worte »Benedictio Sacratissimi«. Ein merkwürdiges Wappen.
Momentan interessierte er sich aber mehr für die beiden Namen auf der Rückseite des Umschlags, die er als Rennes-le-Château und Bérenger Saunière entziffert hatte.
»Sag mal, Feline, gibt es hier in Rennes ein Château?«
»Ein Château?«, fragte sie. »Ein Schloss? Hier in Rennes?«
»Ich gehe davon aus, dass es sogar ein ganz bestimmtes Château sein muss«, bemerkte er.
»Wieso?«
»Na, weil es betont wird. Le château. Das Château …«
Feline dachte angestrengt nach.
»Tut mir leid, Mike, aber ich kenne kein besonderes Schloss in Rennes, das damit gemeint sein könnte.«
»Verflixt noch mal!«, ärgerte er sich. »Das gibt’s doch gar nicht! Ich dachte, du bist Fremdenführerin? Und dass du dich hier auskennst.«
»Ich mach das doch nur in meiner Freizeit!«, antwortete sie wegen des Vorwurfs empört. »Und wenn ich sage, ich kenne hier kein Schloss, dann ist das eben so!«
»Entschuldige, ich wollte dich nicht … Ich bin ein wenig … angespannt.«
»Schon gut«, nahm sie seine Entschuldigung an. »Wir können doch drüben bei meinen Kollegen im Fremdenverkehrsbüro nachfragen?«
»Okay! Gute Idee. Das tun wir!«
Das Rathaus auf dem Place de la Mairie – dort war momentan auch die Touristen-Information untergebracht – war vom Café aus nur einen Katzensprung entfernt.
Mike war in den vergangenen Tagen schon einige Male über diesen herrlichen Platz geschlendert. Das imposante Gebäude mit seinem barocken Turm kannte er bereits, wenn auch nur von außen. Ihn faszinierte der Aufbau und seine Gestaltung, wenngleich das Gebäude seiner Meinung nach nicht mit dem Glanz des Justizpalastes konkurrieren konnte.
Das Touristenbüro war in der Nähe des Eingangs untergebracht. Ein großer Schriftzug in dunklen Lettern zeigte den Fremden, wo sie ihre Fragen loswerden konnten; wo ihnen seitens der Mitarbeiter der Stadt weitergeholfen wurde. Er war über einer großen Fensterscheibe angebracht, die den Blick in das Büro freigab. Dort saß eine sympathisch aussehende Dame mittleren Alters am Schreibtisch und war damit beschäftigt, einige Akten zu sortieren, während sie telefonierte.
Links neben der Scheibe führte eine offene Tür in das Büro.
Mike und Feline betraten es.
Die Dame, die das Büro betreute, bat sie, wild gestikulierend, noch einen Moment Platz zu nehmen.
Der Sommer machte sich in diesem kleinen Raum deutlich bemerkbar. Der Ventilator in der Ecke des Büros hatte seine Mühe für angenehme, wenn auch nur sehr geringe Kühlung zu sorgen. Mike wunderte sich, wie die Mitarbeiterin es hier drin überhaupt aushalten konnte.
»Pardon«, entschuldigte sich diese nach endlos wirkenden fünf Minuten ihres Telefonats, dann erkundigte sie sich nach den Wünschen von Mike und Feline.
»Nous cherchons le château«, kramte er sein bestes Französisch hervor, um klar zu machen, dass er sich über das Château von Rennes erkundigen wollte. Seinen Akzent hatte er dabei offensichtlich nicht unterdrücken können.
»Sie sind aus Deutschland?«, fragte sie höflich in gebrochenem Deutsch.
»Ja, aus Frankfurt!«, erklärte er.
»Frankfurt?«, wiederholte die Französin begeistert. »Das ist ja ein, wie sagt man bei Ihnen, netter Zufall? Mein Sohn macht dort seine Studien gerade!«
Mike wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Auf Small Talk war er nicht eingestellt. Dennoch lächelte er sie freundlich an, um zumindest so zu tun, als fände er dies interessant.
Geduldig ließ er es über sich ergehen, wie sie von ihren Urlauben im Spessart erzählte und wie wunderschön die Gegend sei, in der er lebte.
»Aber lassen wir bleiben das Sprechen über Ihre Heimat, Monsieur. Sie sind gekommen, weil Sie haben eine Frage?«
Mike konnte sich nicht helfen – er mochte diesen ausgesprochen liebenswerten französischen Akzent.
»Oui, Madame. Wir suchen, wie gesagt, das Château in Rennes. Wo genau können wir das denn finden?«
»Ein Château?«, fragte die Mitarbeiterin nach.
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