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Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Cross
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Kreuz in der Mitte des Pfarrgartens. »Dieses Kreuz hat der damalige Bischof von Carcassonne anlässlich der Renovierung der Kirche von 1891 gespendet.«
    »Ich habe es gesehen«, sagte Mike. »Es ist wirklich imposant!«
    »Das stimmt. Aber haben Sie auch den Kelch zu Füßen des Kreuzes wahrgenommen? Er kann das Blut Christi auffangen.«
    Dieser Kelch war Mike tatsächlich entgangen. Dabei stach er einem doch regelrecht ins Auge, wenn man vor dem Kreuz stand.
    »Vielleicht kennen Sie eine alte Regel verschiedener Geheimgesellschaften: Wenn Sie etwas verbergen wollen, dann müssen Sie das so tun, dass es zwar jeder sehen kann, es aber trotzdem von niemandem bemerkt wird, der nicht ganz genau hinschaut! Sie können mir folgen?«
    »Nicht ganz. Erklären Sie es mir bitte«, hakte Mike nach. »Selbstverständlich. Um etwas zu verstehen, müssen Sie es begreifen, junger Freund. Und um etwas begreifen zu können, müssen Sie es sehen und erfassen! Wenn Sie nicht wissen, was das Geheimnis ist, bemerken Sie es nicht, selbst wenn sie förmlich darüber stolpern. Das ist die Kunst, den Gral zu verbergen!«
    Mike musste zugeben, dass diese Argumentation durchaus plausibel klang. Hinweise schienen dort zu sein, wo niemand sie vermutete: vor den eigenen Augen. Das beste Versteck der Welt! Warum Jean ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, war Mike im Moment aber noch nicht klar.
    »Der Kelch am Kreuz ist nicht der einzige Hinweis auf den Gral«, betonte Jean. »Sie werden in der Kirche zwei weitere finden. Kommen Sie! Lassen Sie uns einen Blick hineinwerfen!«
    Mike folgte Jean, geradezu angezogen von dem wunderbaren Geheimnis, das dieser Ort verbarg. Sie verließen den Pfarrgarten und betraten den geschotterten Weg zum Gotteshaus.
    Der Eingang war ein auffälliges Dach in Form eines gleichseitigen Dreiecks. Zwei kitschige und völlig deplatziert wirkende grellgelbe Schlangen, die aus jeweils acht Segmenten bestanden, trafen sich an der Spitze des Giebels in einem Sacre-Coeur.
    Zwei weiße Tauben, an der linken und rechten Seite des Daches, sahen auf die gelben Schlangen hinab.
    Als er die Inschriften direkt über dem Eingangsportal genauer studierte, erschrak Mike. »Terribilis est locus iste« stand da in unübersehbarer Größe: Dieser Ort ist schrecklich, bedeutete es übersetzt.

    »Eigenartig, nicht wahr?«, fragte Jean, als er Mikes verwunderte, wenn auch nicht unerwartete Reaktion sah. »Alle Inschriften wurden gemäß der Vorstellungen des Abbés angebracht.«
    »Ich fasse es nicht«, sagte Mike sichtlich irritiert. »Warum, um Himmels willen, sollte ein Diener Gottes seine eigene Kirche als schrecklichen Ort bezeichnen?«
    »Vielleicht ist das der Fluch?«, bemerkte Jean und konnte sich ein wissendes Lächeln nicht verkneifen.
    »Der Fluch? Was meinen Sie damit?«
    »Das soll Sie jetzt nicht erschrecken!«, sagte er. »Es ist nur so, dass es einige Abergläubische gibt, die meinen, sie müssten diese Kirche meiden, weil sie ein Ort des Teufels ist.«
    »Ein Ort des Teufels?« Mike war sprachlos. In Rennes-le-Château schien ganz offensichtlich nichts unmöglich.
    »Dabei übersehen sie die eigentlich doppelte Bedeutung des Wortes: Terribilis kann sowohl mit schrecklich als auch mit ehrwürdig übersetzt werden. Und genau so müssen Sie das sehen: Für die einen ist diese Kirche ein Fluch, für die anderen ist sie ein Segen. Sie ist übrigens der Heiligen Maria Magdalena geweiht und schon ziemlich alt. Früher gehörte sie zum Château, war aber schon halb zerfallen, als Saunière hier 1885 seinen Dienst aufnahm. Sie musste von Grund auf renoviert werden. Wenn Sie gleich hineingehen, bedenken Sie, dass der Abbé fast alles verändert hat. So gut wie nichts ist mehr, wie es früher war.«
    Jean hatte einen der beiden Knäufe der schweren Türflügel bereits in der Hand, lenkte Mikes Aufmerksamkeit zunächst aber noch einmal auf die vielen Inschriften oberhalb des Portals. Sie umgaben eine kleine Skulptur der Maria Magdalena. Es war bereits die dritte, die Mike in diesem Pfarrgartenbereich ausmachte.
    Unterhalb dieser Skulptur waren zwei Wappen angebracht.
    »Dieses dort ist das Wappen des Bischofs. Das andere Wappen gehört Papst Leo XIII. Er war an der Spitze des Vatikans, als Saunière die Kirche restaurierte.«
    Die Türen ließen sich nur schwer bewegen. Die Scharniere quietschten, als seien sie lange nicht mehr geölt worden.
    »Gehen Sie rein und lassen Sie das Interieur auf sich wirken!«, sagte Jean, nachdem er die

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