Es wird Dich rufen (German Edition)
Willen.
Diese Worte waren Mike durchaus geläufig.
Welche verborgene Botschaft damit jedoch übermittelt werden sollte, das war ihm noch völlig unklar.
Auch der längere Text stammte aus dem Neuen Testament. Er beschrieb den Besuch Jesu im Haus von Maria und Martha, den Schwestern des Lazarus, in Bethanien – besser bekannt als »das letzte Abendmahl«.
Stein hatte am Ende des Textes eine weitere Bemerkung hinterlassen, die allerdings merkwürdig war:
Mike, hier sind überall Buchstaben eingefügt worden, die nicht zum Text gehören. Wir haben sie einmal herausgeschrieben und gezählt. Es waren über 100! Kann es sein, dass du dich ein bisschen verschrieben hast? Falls nicht, ruf mich bitte dringend an!
Mike war erstaunt.
Er war sich sicher, dass er keine Fehler gemacht hatte, schließlich hatte er Buchstabe für Buchstabe mit den Dokumenten abgeglichen, als er den Text für Stein kopierte. Es blieb also nur eine Möglichkeit: Diese Manipulation war gewollt und vom Verfasser der Dokumente kreiert worden! Und genau das stimmte Mike, angesichts der Tatsache, dass diese Dokumente den Schlüssel zum Geheimnis enthalten sollten, nachdenklich.
Wenn diese Menge an Buchstaben, die mit dem eigentlichen Text nichts zu tun hatten, offensichtlich bewusst eingefügt worden waren, dann musste schon mehr dahinterstecken als auf den ersten Blick zu vermuten war. Vielleicht hatte ja Jean eine Erklärung dafür?
Weil Stein ausdrücklich um einen raschen Rückruf gebeten hatte, griff Mike aber zuerst zum Handy, um zu erfahren, was der Chefredakteur von ihm wollte. Schließlich wusste er zu gut, was sich sein Vorgesetzter unter »rasch« vorstellte. Seltsamerweise bekam er aber keinen Anschluss.
»Na so was«, seufzte er.
Als auch sein zweiter Versuch ohne Erfolg blieb, wich er auf Steins Handy-Nummer aus. Vielleicht war er ja schon auf dem Weg nach Rennes. Und dieses Mal hatte er Glück, schon nach wenigen Sekunden hörte er einen Rufton, wenngleich es noch eine Weile dauerte, bis sein Vorgesetzter an den Apparat ging.
»Stein?«
»Walter! Ich bin’s, Mike!«
»Mike?« Der Chefredakteur klang – wie immer – gestresst, freute sich aber dennoch hörbar über den Anruf seines Freundes. »Schön, dass du dich meldest! Wie geht es dir?«
»Danke, bestens!«, sagte Mike.
»Du rufst im richtigen Moment an. Gerade habe ich ein wenig Zeit. Hast du mein Fax bekommen?«
»Deswegen will ich mit dir reden!«
»Sehr gut!«, bekundete der Chefredakteur. »Sag´s mir besser gleich: Hast du die Fehler zu verantworten oder stand das wirklich so im Originaltext?«
»Nein, nein«, verteidigte sich Mike. »Das entspricht eins zu eins dem ursprünglichen Text!«
»Warum hast du den überhaupt abgeschrieben?«, erkundigte sich Stein. »Wäre es nicht einfacher gewesen, wenn du gleich das Original geschickt hättest?«
»Einfacher schon«, stimmte Mike zu. »Aber ich weiß nicht, ob das so gut gewesen wäre, Walter. Die Sache scheint nämlich ein wenig – wie soll ich sagen – heikel zu sein!«
Im Hintergrund hörte Mike ein leichtes Quietschen, so als ob sich Stein in seinen Schreibtischstuhl zurückgelehnt hätte. Also schien er sich doch noch in seinem Büro zu befinden.
»Schieß los, Mike!«, bat der Chefredakteur. »Ich merke doch, dass du etwas auf dem Herzen hast!«
»Das lässt sich aber nicht so einfach in ein paar Minuten besprechen!«, bemerkte Mike. »Sagtest du nicht, dass du heute noch nach Rennes fliegen musst?«
»Das hat sich erledigt«, entgegnete Stein. »Meine Frau übernimmt das für mich.«
»Ach so. Na dann, …«
Mike hörte, wie der Chefredakteur seiner Sekretärin über die Sprechanlage ausrichtete, er wolle die nächste Zeit nicht gestört werden.
»So, jetzt können wir reden, Mike!«, versicherte er ihm dann. »Erzähl mal, was los ist.«
Es war tatsächlich das erste Mal, dass Mike einer eng vertrauten Person detailliert all das mitteilen konnte, was er in den letzten Tagen erlebt und was ihn bewegt hatte. Er berichtete jede noch so kleine Einzelheit und merkte dabei, wie gut es ihm tat, das Wissen um die seltsamen Geschehnisse teilen zu können.
Er begann seine Schilderungen mit dem Mann, der ihm im Café den Umschlag überreicht hatte, erzählte von Jean und dem Geheimnis des Priesters und endete schließlich nach einer halben Stunde mit den Dokumenten aus dem Brief.
Aufmerksam, ihn nur selten mit einer knappen Zwischenfrage unterbrechend, hatte der Chefredakteur ihm
Weitere Kostenlose Bücher