Es wird Dich rufen (German Edition)
schmunzeln. Jean mochte für sein Alter noch recht fit und für ausgedehnte Spaziergänge zu haben sein, aber dafür war das Hotel dann doch zu weit entfernt. Immerhin waren es einige Kilometer Wegstrecke, die Mike hinter sich gelassen hatte, als er am Morgen mit dem Auto hierher fuhr.
»Es ist besser, wenn wir meinen Wagen nehmen«, riet Mike deshalb. »Er steht oben auf dem Parkplatz beim Turm. Ich fürchte, die Strecke bis ins Hotel schaffen wir nicht zu Fuß …«
»Wie Sie meinen. Dann lassen Sie uns gehen, pardon, fahren …« Auf dem Weg zum Wagen kamen die beiden Männer an einem Buchladen vorbei. Er befand sich in einem der alten Häuser auf der Hauptstraße zur Kirche. Eine Scheibe, die für ein normales Fenster viel zu groß, für ein Schaufenster hingegen zu klein war, gab den Blick auf eine stolze Anzahl Bücher frei, die sich mit dem Abbé und dem Dorf beschäftigten.
Durch die Scheibe war das Innere des Ladens gut zu sehen.
Es herrschte reger Betrieb in dem kleinen Geschäft. Ein älterer Mann beugte sich über die Videos, die in einer der unteren Schubladen lagen; eine deutlich jüngere Frau mit langen blonden Haaren stand direkt daneben und redete unermüdlich auf ihn ein, während er ihr eine Hülle nach der anderen reichte, nur um sie kurze Zeit später wieder zurück ins Regal zu stellen.
»Wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben, dann schauen Sie sich hier ruhig einmal um«, schlug Jean vor. »Vielleicht haben Sie Glück und finden sogar noch die ein oder andere Rarität, die sonst nirgendwo mehr zu haben ist.«
»Das werde ich tun!«, versicherte Mike.
»Die Besitzerin ist eine alte Freundin«, ergänzte der Alte. »Grüßen Sie sie von mir – dann wird sie Ihnen sicherlich mehr zeigen als das, was nur für die Touristen ausliegt.«
»Was heißt: mehr?«
»Das werden Sie dann schon erfahren«, sagte Jean, unterband dann aber weitere Nachfragen des Journalisten. Mit einem verheißungsvollen Lächeln beließ er es bei dem allgemeinen Hinweis, dass es in der Affäre um den Priester und das Dorf offizielle, aber eben auch inoffizielle Schriften gäbe.
14
»Da wären wir«, sagte Mike, als sie durch den eisernen Torbogen des Hotels fuhren und auf dem Rasen parkten.
»Nicht ganz das, was ich Ihnen empfohlen hatte, aber dennoch ein schönes Haus!«, bemerkte Jean anerkennend. »Da haben Sie eine wirklich gute Wahl getroffen!«
»Ich denke, ich hatte einfach Glück«, entgegnete Mike angesichts der Tatsache, dass er mehr oder weniger zufällig hier gelandet war. »Lassen Sie uns reingehen!«
Als sie den geschotterten Weg zum Eingangsbereich des Hotels entlang schritten, sah Mike die Hotelchefin auf den Verandastufen sitzen, wo sie mit drei kleinen weißen Hunden spielte. Die Französin strahlte, als sie die beiden Männer auf sich zukommen sah.
»Salut!«, rief sie ihnen entgegen. Jean schien ihr bekannt zu sein, sie begrüßten sich zumindest wie alte Freunde mit herzlichen Küsschen auf die Wange.
»Bonjour Caroline«, sagte Jean und wechselte mit ihr ein paar Worte in französischer Sprache. Mike verstand nur die Hälfte. Soweit er es mitbekam, schien es um ihn zu gehen. Jean erzählte ihr wohl, was für ein sympathischer und intelligenter junger Mann Mike doch sei, dem er schon vieles über den Abbé Saunière berichtet hatte.
Aufmerksam hörte sie ihm zu, während sie ihn unentwegt dabei anlächelte. Eine aufrichtige Freundlichkeit war den Bewohnern dieser Region offenkundig angeboren. Mike hatte hier nur selten ein schlecht gelauntes Gesicht gesehen.
»Caroline sagt, dass Sie Besuch haben, junger Freund!«
»Besuch?«, fragte Mike verdutzt. »Ich? Ist das sicher?«
»Bien sûre!«, lächelte sie.
»Es ist eine junge Dame«, erklärte Jean weiter. »Sie wartet in der Lobby auf Sie!«
Eine junge Dame? Insgeheim hoffte Mike, dass Nadine ihm hinterhergereist war; dass sie seinen Aufenthaltsort von Walter Stein erfahren hatte und ihn nun aufsuchte, um das Geschehene vergessen zu machen.
Als Mike aufgeregt die Hotellobby betrat, sah er seinen Besuch, etwas verdeckt durch zwei Zimmerpalmen, auf einem gemütlichen Sofa sitzen. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und blätterte in einer Zeitschrift. Freudig trat Mike auf sie zu.
»Nadine!«
Sie drehte sich zu ihm herum.
»Du?«, fragte er erstaunt, als er erkannte, dass es nicht Nadine, sondern Feline war, die ihn erwartete. Sie hatte Mike nicht kommen hören und schreckte deshalb hoch, als er rief: »Was tust du denn hier?«
»Na,
Weitere Kostenlose Bücher