Es wird Dich rufen (German Edition)
Villa Bethania, jenes stolze Gebäude, das die Menschen, die hier wohnten, seit seiner Erbauung in Erstaunen versetzt hatte. Ein wenig war das auch heute noch so, wenngleich die Villa längst nicht mehr so gut erhalten war wie damals, als er selbst zum ersten Mal hierhergekommen war. Das massive weiße Mauerwerk glänzte früher noch in der hellen Sonne. Heute war die Farbe hingegen trübe geworden. Der ganz große Glanz war vorüber.
»Wie lange werden Sie bleiben?«
»Das weiß ich noch nicht«, erklärte der Großmeister. »So lange wie nötig. Es ist besser, wenn wir ihn im Auge behalten.«
»Er ist allerdings nicht alleine!«, sagte Jean.
»Nicht?« Der Großmeister war überrascht. »Wer ist bei ihm?«
»Eine junge Dame aus Rennes. Ihr Name ist Feline, soweit ich mich richtig erinnern kann.«
»Feline?«
Dem Großmeister war zwar der Umstand bekannt, dass Mike ihr in Rennes begegnet war – schließlich war es seine Pflicht, über dessen Unternehmungen im Bilde zu sein, zumal er den Journalisten als Jeans Nachfolger auserkoren hatte. Dass sie mit ihm in das Dorf gekommen war, überraschte ihn jedoch.
»Was denken Sie über sie?«, erkundigte sich der Großmeister.
»Das vermag ich noch nicht einzuschätzen«, gestand Jean.
»Beobachten Sie die beiden und geben Sie mir Bescheid, wenn Sie es besser einordnen können!«
»Das werde ich tun, Euer Eminenz.«
»Es ist sehr wichtig!«, erklärte der Großmeister mit sorgenvoller Stimme. »Es ist etwas im Gange. Wir müssen auf der Hut sein! Die Söhne hecken etwas aus. Und das gefällt mir überhaupt nicht!«
Der Großmeister war von seinen Agenten über das Bemühen der »Söhne Luzifers«, an die universale Macht zu gelangen, unterrichtet worden. Von beunruhigenden Aktivitäten war die Rede gewesen, die allerdings noch nicht genauer erfasst werden konnten. Mit einer Ausnahme: Sie schienen über die Existenz von Mike Dornbach bereits informiert zu sein.
»Dieses Mal ist es also ernst?«, fragte Jean.
»Ich wünschte, ich könnte das Gegenteil behaupten, Bruder Jean«, seufzte der Großmeister. »Sie wissen, dass er die Papiere hat.«
»Dann sind Ihre Befürchtungen, dass wir einen Spion in unseren Reihen haben, also berechtigt gewesen?«
»Ich kann es kaum glauben …«
»Vielleicht gibt es ja auch eine andere Erklärung?«, sagte Jean, der Mike nicht ohne Grund darum gebeten hatte, möglichst mit niemandem über den Umschlag und die Manuskripte zu sprechen, die er darin gefunden hatte.
»Ich weiß nicht, wem er noch alles davon erzählt hat.«
Jean machte sich Vorwürfe. Natürlich hätte er die Gefahr nicht beschwichtigen dürfen, sondern Mike noch ausdrücklicher warnen müssen. Ihre Kontrahenten hatten schließlich überall Spione. Und sie waren äußerst gefährlich – erst recht, wenn derjenige, der sich auf sie eingelassen hatte – möglicherweise ohne es zu wissen –, praktisch schutzlos war. So, wie das bei Mike Dornbach im Moment der Fall war.
Die Regeln des Ordens verboten Jean ein solches Vorgehen jedoch. Es war ihm streng untersagt, dem Journalisten die wahren Hintergründe seines Aufenthalts in diesem Dorf preiszugeben, ihm zu sagen, was wirklich Sache war. Das durfte er erst dann, wenn sich herausstellte, dass Mike tatsächlich würdig genug war, das Geheimnis in seinem vollen Umfang zu erfahren.
»Was denken Sie, was jetzt passieren wird?«, fragte Jean unruhig. »Ich gehe davon aus, dass sie versuchen werden, Mike Dornbach ausfindig zu machen. Derzeit droht ihm aber keine Gefahr. Den Söhnen geht es nur um die Dokumente. Wahrscheinlich werden sie herausfinden wollen, wo er sie aufbewahrt, um sie dann in einem unbeobachteten Moment zu stehlen.«
»Und was ist, wenn sie die Papiere bei ihm nicht finden?« Schweigend sahen sich beide an. Sowohl der Großmeister als auch Jean wussten, dass die »Söhne Luzifers« und deren Agenten nicht gerade zimperlich waren, wenn sie an Informationen gelangen wollten. Beide waren sich unausgesprochen darin einig, dass Mike Dornbach in diesem Fall in großer Gefahr wäre.
»Wir werden ganz einfach unser Bestes geben!«, forderte der Großmeister. »Ich werde mich später noch mit Bruder Jacques treffen. Er wird sich darum kümmern, dass Dornbach immer jemanden an seiner Seite haben wird, der ihn beschützt – ohne, dass er davon weiß.«
Plötzlich klingelte das Handy des Großmeisters. Er zückte es aus der linken Seitentasche seines Sakkos. Ein Blick auf das Display verriet ihm, wer der
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