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Escape

Escape

Titel: Escape Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rush
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beseitigt.«
    Und mit Problem meinte er sich selbst.
    »An was erinnerst du dich? Was ist so schlimm daran? An was erinnern sich die anderen?«
    Nick erschien in der Tür. Alle Jungs hatten Klamotten in den Schränken gefunden und angezogen, was ihnen passte. Während Sam wirklich alles tragen konnte, war Nick das blaue Hemd ein bisschen zu klein. Seine Schultern waren breiter als die von Sam, außerdem war er drei oder vier Zentimeter größer.
    Sie tauschten einen vielsagenden Blick. Sam fuhr sich mit der Hand über die dunklen Bartstoppeln und wandte sich dann ab. »Ich geh laufen.«
    Ich sprang auf die Füße. »Ausgerechnet jetzt? Aber -«
    »Bin nachher wieder da«, sagte er.
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und seine Schritte entfernten sich auf der Treppe. Ich fuhr zu Nick herum. »Was sollte das?«
    Er knackte mit den Fingern. »Glaubst du wirklich, du hast ein Recht darauf, etwas über meine Erinnerungen zu erfahren? Über meine Vergangenheit? Vergiss es.«
    Hinter mir war Trev aufgestanden. »Anna, lass gut sein.«
    »Wieso tust du immer so, als wäre ich der Feind? Als könnte man mir nicht trauen?«
    Nick machte nur tse. Sein Gesicht wurde hart. »Vielleicht, weil man dir nicht trauen kann? Du bist die Tochter unseres Gegners. Wir hätten dich gar nicht erst mitnehmen dürfen.«
    Ich ging auf ihn los, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, was ich als Nächstes tun wollte. Ihn schlagen? Ihm die Augen eindrücken? Beherzt mit den Daumen zudrücken und nicht nachlassen, selbst wenn dir dabei schlecht wird. Das hatte mein Kampflehrer immer gesagt.
    Glücklicherweise kam es nicht dazu. Trev hatte sich zwischen uns geworfen. Hör auf stand auf seinem Gesicht. Du machst dich lächerlich.
    Ich schnaubte resigniert, während Nick seine Finger erneut knacken ließ. Die Luft war zum Schneiden dick. Ich war mir sicher, wenn Trev nicht da gewesen wäre, hätte Nick sich mit mir geprügelt.
    Und das wäre ein Kampf geworden, den ich niemals hätte gewinnen können.

15
    Am Abend zog ich mich sofort nach dem Essen mit einem Bleistift, den ich in einer der Schubladen aufgestöbert hatte, in eins der oberen Zimmer zurück. Es war nach Osten ausgerichtet und hatte eine breite Fensterbank, die mit einem karierten Sitzkissen versehen war. Mehr brauchte ich nicht.
    Dort ließ ich mich nieder und breitete noch eine Wolldecke über meine Beine. Im ersten Stock war es wärmer als im Erdgeschoss, aber direkt am Fenster zog es. Ich schlug eine freie Seite in Moms Tagebuch auf.
    Zu Hause in dem alten Farmhaus hatte ich mich oft gefragt, wie es wohl an anderen Orten der Welt aussah und wie es sein würde, sie zu zeichnen. Sich von Fotos im Reisemagazin inspirieren zu lassen, war einfach nicht das Gleiche, wie etwas mit eigenen Augen zu sehen. Jeder Ort hatte seine ganz eigene Energie. Die Landschaft atmete. Die Bäume flüsterten.
    Manchmal hatte ich meine Gedanken schweifen lassen und mir überlegt, wie es wäre, eines Tages das kleine Dorf hinter mir zu lassen. Doch solche Gedanken brachen immer abrupt ab und rissen mich zurück in die Realität - zurück zu Sam. Es wäre nicht dasselbe ohne ihn. Wenn ich außerhalb des Farmhauses unterwegs war, spürte ich jedes Mal, dass etwas fehlte. So, als wären auch Teile von mir im Labor eingesperrt, an Sam und die anderen geknüpft.
    Jetzt war ich endlich draußen in der weiten Welt und wollte nichts lieber als meine Eindrücke mit dem Stift festhalten. Ich fing damit an, die umwerfend schöne Landschaft von Michigan zu zeichnen, doch nach wenigen Minuten musste ich feststellen, dass meine Hand andere Pläne hatte. Die Zeichnung nahm mehr und mehr die Form meiner Mutter an. Ich hatte nur ein Foto von ihr besessen und selbst das hatte ich aus dem Arbeitszimmer meines Vaters entwenden müssen. Mittlerweile hatte ich das Motiv jedoch in tausend Zeichnungen wiederverwertet.
    Auf dem Bild saß sie am Ufer eines Sees, eine Decke unter sich ausgebreitet. Ein dunkelvioletter Schal war um ihren Hals gewunden und ihre Haare waren zu einem Dutt zusammengefasst.
    Ich hatte das Foto so oft betrachtet, dass ich selbst das kleinste Detail auswendig konnte. Bis zum Winkel, in dem die Blätter an den Bäumen hingen, und der Neigung der Schatten. Auf einer meiner liebsten Zeichnungen hatte ich das Bild haargenau kopiert und mich neben sie gezeichnet.
    Weil wir so überstürzt aufgebrochen waren, hatte ich vergessen, diese Zeichnung einzustecken. Hätte ich doch nur daran gedacht.
    Jetzt zeichnete ich

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