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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Verwesung drang zu ihr hinab. Panisch hielt sie sich die Hand vor Nase und Mund um das Wimmern zu unterdrücken, das in ihrer Kehle hing, und zugleich den infernalischen Gestank fernzuhalten, der von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. Davids Finger strichen über ihren Rücken, doch die beruhigende Geste verfehlte ihre Wirkung. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in das Zwielicht. Wo blieb die Kraft, die sie in der Seelenkammer durchströmt hatte? Warum passierte nichts? Hoffnungsvoll betrachtete sie ihre Haut, suchte nach einem Anzeichen dafür, dass der Schimmer zurückkehrte. Vergeblich. Kein Kribbeln, keine Hitze.
    Plötzlich schlang David einen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran. Die andere legte er seitlich auf ihre Wange. »Sieh nicht hin«, wisperte er so leise, dass sie nicht sicher war, ob er überhaupt gesprochen hatte.
    Natürlich sah sie hin. Wie konnte er erwarten, dass sie es nicht tat? Über ihnen hatten sich mehrere Wesen versammelt. Doreé zählte fünf. Mit leuchtend weißen Augen starrten sie auf sie hinab. Eng um den Hals geschlungen trugen sie zahllose Ketten. Was aussah wie gelb-graue Kiesel mit rostroten Sprenkeln, entpuppte sich bei genauer Betrachtung als auf Haarsträhnen gezogene Zähne. Menschliche Zähne. Dazwischen schrumpelige Augäpfel.
    Vor Schreck biss Doreé sich so fest auf die Unterlippe, das sie blutete. Die Wesen bewegten sich nicht, gaben auch keinen Laut von sich. War bisher in regelmäßigen Abständen von irgendwoher der Singsang erklungen, so versank die Ebene nun in tiefem Schweigen, in dem das Hämmern ihres Herzens wie Donnerschläge in Doreés Ohren hallte. Der Gestank spülte Wellen der Übelkeit ihre Kehle hinauf.
    Und dann sah sie das Huschen. Schwarze Käfer, die sich aus den Erdspalten wanden und auf die Wesen zu krabbelten. Auch zwischen ihren Beinen schoben sich Käfer aus dem Erdreich, wuselten über ihre Füße und zielstrebig auf die Wesen zu. Doreé stieß einen unterdrückten Schrei aus, der klang, als hätte sie einen Knebel im Mund. Der Laut schien die Wesen anzufeuern, denn nun rührten sie sich, stießen plötzlich hechelnde Laute aus, wie Hunde.
    »Wir müssen wegrennen.« Davids leise Stimme an ihrem Ohr. »Bei drei, okay?«
    Doreé nickte. Wie sie rennen sollte, war ihr ein Rätsel. Ihr ganzer Körper schien ein wabbeliger Klumpen Angst zu sein.
    »Eins«, wisperte David, während er langsam seine Hände von ihr löste. »Zwei.« Sein Körper spannte sich. Doreé versuchte, sich mental auf Rennen einzustellen und betete darum, dass ihre Beine nicht versagten. David ergriff ihre Hand und drückte sie fest. »Drei.«
    Gemeinsam sprangen sie auf und stürmten auf den Weg.
    »Lauf so schnell du kannst«, rief er, »blick nicht zurück.«
    Zurückzublicken brauchte sie nicht, denn vor ihnen näherten sich weitere Wesen. Waren sie zuvor gekrochen, so liefen sie nun aufrecht und überwanden die scharfkantigen Felsen überraschend schnell und geschickt.
    »Was ist das?«, schrie Doreé.
    »Vermutlich Seelenjäger.«
    Doreé stolperte fast über ihre Füße. Seelenjäger? Verdammt, sie steckten in der Klemme. Und zwar gewaltig. Keinesfalls wollte sie in einem Kasten in der Seelenkammer enden oder eingepfercht in ein gläsernes Fass.
    »Beeil dich. Wir müssen nach Babylon zurück«, keuchte David.
    Die ersten Seelenjäger erreichten den Weg, einige davon nur wenige Meter vor ihnen. »Scheiße«, fluchte David, zog Doreé zu sich heran und hechtete durch eine Lücke an ihnen vorbei. Die Seelenjäger grabschten nach ihnen, erwischten Doreés Kleid. Ohne nachzudenken, drehte sie sich um und rammte ihren Ellenbogen in die Fratze des Wesens. David setzte mit einem auf die Brust gerichteten Faustschlag nach.
    Der Seelenjäger ließ sie los. Doreé rannte weiter. Der Boden erbebte. Kleine Steine hüpften herum, als würden sie auf einem vibrierenden Lautsprecher liegen. Doreé blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern. Flucht war alles, was zählte.
    Unvermittelt hielten die Seelenjäger inne, als wären sie gegen eine unsichtbare Barriere gelaufen. Ihre Köpfe ruckten herum, bevor sie zurückwichen und eilig zwischen den Felsen verschwanden. Nur noch ihre Augen lugten über die Kanten.
    »Sie folgen uns nicht mehr«, stieß Doreé keuchend hervor. An ihr konnte es diesmal nicht gelegen haben. Das hätte sie gespürt. Hatten sie eine unsichtbare Grenze überschritten?
    David warf einen Blick zurück. Im Gegensatz zu ihr wirkte er nicht besonders

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