Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
Vom Netzwerk:
oder zumindest gewusst, wer sie ist. Die Abneigung der beiden war echt gewesen.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Ben Nuru deinen Bruder hierher schicken würde, das schwöre ich«, versuchte David, sie zu beschwichtigen. Doch seine Worte bewirkten nicht viel. Jakob war anders gewesen, daran erinnerte Doreé sich. Trotzdem hatten sie einander nahe gestanden. Zwillinge eben. »Wie geht es ihm? Ist er gesund?«
    »Körperlich fehlt ihm nichts«, beteuerte David. »Aber …«, er verstummte und biss sich auf die Lippe. »Er ist psychisch instabil«, fügte er schließlich hinzu.
    Es stimmte also. Jakob war nicht wie andere Menschen. Frühkindlicher Autismus hatte ihre Mutter ihr viele Jahre nach seinem fingierten Tod erklärt. Aus diesem Grund also war er für die Escorter nicht gut genug gewesen. Aber warum hatte ihr Vater mitgespielt? Er, ein Bote, hatte seinen Sohn einer Escorterin übergeben. Das war absurd. Bestimmt hatte ihre Mutter ihn manipuliert, unter Drogen gesetzt oder erpresst.
    Sie warf David einen verächtlichen Blick zu, projizierte all ihre Wut und Enttäuschung auf ihn. Was waren das für Menschen, die einen kranken Jungen an einen Ort wie diesen schickten? Was sollte er hier bewirken, außer noch verrückter zu werden, als er es ohnehin schon war?
    »Es tut mir leid, Doreé, ich hatte keine Ahnung«, wiederholte David.
    Satan und die Hure grinsten, weideten sich an ihrem Leid. Die Dunkelheit um den Höllenfürsten floss über den Boden, kroch auf Doreé zu und leckte über ihre Füße. Er wollte sie, begehrte sie und alles, was gut war an ihr. Höchste Zeit, zu verschwinden.
    »Lass uns aufbrechen«, sagte Doreé kalt.
     
    Sie verließen das Haus nicht durch den Vordereingang, denn dort warteten Gäap und die Nephilim. Stattdessen führte die Hure sie durch einen unterirdischen Gang, der im Laufe ihrer Schritte alle Farbe verlor und sich dem Land über ihnen anglich. Leblos und kalt. Am Ende war selbst das Licht nur ein bleicher Fleck an der Wand. Ein Sklave folgte ihnen gemeinsam mit einem Höllenhund. In der Enge des Ganges empfand Doreé ihre Gegenwart derart beängstigend, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, weil sie befürchtete, das Vieh könnte sie anfallen und beißen. Dem Knurren und Sabbern nach zu urteilen trachtete es danach, doch der Sklave hielt die Kette fest umklammert, ließ das Vieh zwar herankommen, doch niemals nah genug, um zuzuschnappen.
    Endlich erreichten sie den Ausgang. Zumindest hoffte Doreé, dass es sich bei der eisenbeschlagenen Falltür über ihr um einen Ausgang handelte.
    »Öffnen«, befahl die Hure an den Sklaven gewandt.
    Doreé und David wichen zurück und pressten sich an die Wand, damit der Sklave an die Falltür herantreten konnte, ohne sich an ihnen vorbei zwängen zu müssen. Der Sklave wickelte die Kette um seinen Arm, damit er sie nicht festhalten musste, und stemmte dann die Falltür auf. Kühle Luft fegte herein.
    »Es ist nicht mehr weit, folgt einfach dem Pfad«, sagte die Hure.
    Doreé trat unter die Öffnung und blickte hinauf. Graue Wolken wanden sich spiralförmig um eine monströse Wurzel am Himmel. Wind pfiff über sie hinweg und die Luft war dünn, als würden sie sich in großer Höhe befinden. David umfasste ihre Beine und hob sie durch die Öffnung. Doreé krallte sich an einen Felsen, stemmte sich nach draußen und blickte sich staunend um. Sie befand sich tatsächlich auf dem Berg. Satans Anwesen war nirgendwo zu sehen, nur der brennende Fluss, der das Land wie ein feuriges Schwert zerteilte.
    »Wir sind schon fast auf der Bergspitze«, brüllte sie gegen den Wind in die Luke hinein.
    Eilig schaffte David sich ebenfalls nach draußen. Die Hure sah zu ihnen auf. »Ich gebe euch noch einen Rat mit auf den Weg«, rief sie. »Kommt nicht vom Weg ab.«
    Dann wurde die Falltür geschlossen.
     

 
     
     
     
31
     
    Jakob stand an der Klippe und starrte angespannt in die Tiefe, beobachtete jede Regung auf dem Pfad unter sich. Bald würde seine Schwester kommen. Irgendwo dort unten musste sie sein, hatte Luzifer gesagt. Woher er das wusste, darüber schwieg er sich aus.
    Jakob blickte zum Lichtbringer, der am gegenüberliegenden Steilhang wachte. Es sah aus, als würde er auf etwas warten, etwas, das ihm Sorgen bereitete. Der goldene Schimmer um ihn herum vibrierte aufgeregt und er hatte eine steile Falte auf der Stirn. Doreé brachte Verrat mit, hatte er behauptet.
    Wie konnte seine Schwester Luzifer verraten? Sie kannte ihn nicht

Weitere Kostenlose Bücher