ESCORTER (German Edition)
zuließen, zog sie den Slip hoch.
David kehrte zurück, setzte sich an den Bettrand und hielt ihr eine Wasserflasche hin. »Weine nicht. Alles ist gut.«
Alles ist gut? Doreé starrte ihn entgeistert an. Wie konnte er das sagen, nachdem sie eben vor seinen Augen zu einer kreischenden Furie geworden war? Schwerfällig richtete sie sich auf, nahm die Flasche und trank einen Schluck.
»Haben wir es getan?«, fragte sie. Ihre Stimme klang seltsam dumpf.
Er senkte den Kopf. »Nein.«
Seine Wortkargheit verwirrt sie. Wieso sagte er nichts dazu? Und warum mied er ihren Blick, als hätte er ein schlechtes Gewissen? Max war völlig außer sich gewesen, hatte den Notarzt rufen wollen und einen Krankenwagen noch dazu und David saß da wie ein begossener Pudel und starrte auf einen unbestimmten Punkt.
»Habe ich geschrien?«, fragte sie.
Er schnaubte. »Geschrien? Gebrüllt hast du, als würde man dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen.«
Seine Worte machten es amtlich. Sie war verrückt, völlig durchgedreht. Obwohl sie nichts dafür konnte, beschämte sie ihr Verhalten zutiefst und sie verspürte den plötzlichen Drang, zu gehen. Sie wollte ihm zuvorkommen. Denn welcher Mann bei klarem Verstand wollte eine Frau, die brüllte, sobald man sie anfasste? Entschlossen stellte sie die Flasche ab und rutschte vom Bett. Sie musste hier raus, und zwar schnell. Ohne David eines Blickes zu würdigen, sammelte sie ihre Kleider auf.
»Warum ziehst du dich an?«, fragte er. »Willst du gehen?«
»Ja«, erwiderte sie knapp.
Er senkte den Kopf und schwieg, versuchte nicht einmal, sie aufzuhalten. Stattdessen blickte er betreten zu Boden. Er wollte sie loshaben, wie sie vermutet hatte.
»Ich bin fertig. Bringst du mich noch zur Tür?« Es ärgerte sie, wie deutlich die Enttäuschung aus ihrer Stimme klang. Sie wollte, dass er sie aufhielt, dass er beteuerte, wie egal ihm ihre Panikattacken waren. Doch er saß nur regungslos da und starrte Löcher in den Boden.
»Kannst du fahren oder soll ich dich nachhause bringen?«, murmelte er.
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Spar dir die Höflichkeiten, ich komm schon zurecht.«
Sie wollte nicht vorwurfsvoll klingen, verstand seine Reaktion nur allzu gut, doch konnte sie nicht verhindern, dass die Verbitterung an ihrer Seele fraß. Im Flur vor der Haustür hielt sie noch einmal inne. Sie wollte sich nicht sinnloser Hoffnung hingeben, dass er es sich anders überlegen könnte und auf einen Anruf warten, der nie kam. Sie wollte wissen, woran sie war.
»Rufst du mich morgen an?«
Sein Zögern war eine klare Antwort. Er würde sie nicht anrufen, nie wieder. Seufzend wandte sie sich ab und griff nach der Türklinke, als er sie unvermittelt an sich zog und seine Lippen auf ihre presste. Es war ein verzweifelter Kuss, hart und drängend. Ein Abschiedskuss.
»Du gehst schon?«, fragte Paul hinter ihnen.
Erschrocken fuhren sie auseinander. »Ich … ich muss nach Hause«, stotterte Doreé.
Paul hob überrascht die Augenbrauen. »Tatsächlich? Hattet ihr denn schon euren Spaß?« Es sollte scherzhaft klingen, doch Doreé glaubte, etwas Lauerndes aus seiner Stimme herauszuhören. Hatte er denn ihre Schreie nicht gehört?
»Das geht dich nichts an«, zischte David abweisender als nötig.
Doreé blickte von einem zum anderen. Da war er wieder, dieser Blickkontakt. Ein nonverbaler Austausch von Informationen.
»Ich fühle mich wie nach einem Achterbahn-Marathon«, sagte sie in bemüht leichtem Tonfall. »Ich glaube, der Joint in Verbindung mit dem Alkohol und deinem Monsterchili ist mir nicht bekommen.«
Paul lachte nicht. Er lächelte nicht einmal, kniff nur die Augen zusammen und fixierte sie. David öffnete schnell die Tür und schob sie unsanft in den Hausflur hinaus. »Ich ruf’ dich an«, versprach er und warf die Tür zu.
Einen Herzschlag lang war Doreé völlig perplex, weil er sie einfach hinauskatapultiert hatte.
»Bist du verrückt?«, hörte sie Paul sagen. »Wie kannst du sie gehen lassen? Kannst du dir vorstellen, was Ben Nuru dazu sagen wird?«
»Sei still«, zischte David. »Komm mit.« Der Riegel wurde vorgeschoben, Schritte entfernten sich, eine Tür fiel ins Schloss. Dann war alles still.
9
Still und unbelebt wirkte Doreés Zuhause im Dunkeln. Die Glasfronten schimmerten matt im Licht der Straßenlaternen, verwehrten den Blick auf das Innere. Etwas Unheimliches ging von dem Haus aus, aber vielleicht lag dieses Empfinden auch nur an ihrer
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