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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Ständig hatte er sein Verlangen nach einem strukturierten Ablauf und seinen Widerwillen gegen Veränderungen gegen die Neugier und den Wunsch, seine Schwester und Mutter kennenzulernen, abgewogen. Seine Gemälde, die Botschaft, die sich hinter den Bildern verbarg, hatten ihn schließlich davon überzeugt, dass er sich überwinden musste, und zwar vor Doreés und seinem 21. Geburtstag. Denn das, so hatte ihm Edith erklärt, wäre der Tag, an dem sie einen Dämon empfangen und mit seiner Hilfe versuchen würde, das Gleichgewicht der Welt zugunsten der Satana, der Herren der Gegenwelt, zu stören. Das Gleichgewicht stören. Das hatte nichtssagend und abstrakt in seinen Ohren geklungen und er war versucht gewesen, Ediths Worte zu verdrängen und weiterzumachen wie bisher. Es wäre so viel einfacher gewesen. Doch die Nächte folterten ihn mit Bildern von Hunger, Krieg und Unterdrückung. Den Stimmen in ihm schien das zu gefallen. Sie schwiegen und schwelgten, sorgten dafür, dass die Bilderflut nicht endete.
    Die Menschen bedeuteten Jakob nichts, auch wusste er wenig über Recht und Unrecht, doch dies war eindeutig falsch. Stundenlang hatte er daraufhin vor den Gemälden gebrütet, hatte sie so drapiert, dass er den Schemen des geflügelten Hengstes hinter Doreé erkennen konnte und das Licht. Immer war da auch ein Funken Licht. Bis er schließlich die Botschaft begriffen hatte. Seine Schwester trug Hoffnung in sich, ganz im Gegensatz zu ihm. In ihm verbarg sich die Dunkelheit.
    Er sollte der Träger des Dämons sein, nicht sie.
    Da war ihm klar geworden, dass er sie warnen und ihr helfen musste, dem Dämon zu widerstehen. Doch dafür musste er die Wohnung, ja sogar das Haus verlassen. Und so hatte er Irina einen Brief geschrieben, in dem er ihr von seiner Schwester erzählte und von seiner leiblichen Mutter und in dem er sie um Hilfe bat. Seine Worte und fünfzig Euro hatten sie schließlich überzeugt.
    »Du siehst völlig fertig aus. Brauchst du was zur Beruhigung?«, fragte Irina. »Ich habe ein paar Tranquilizer dabei.«
    Mit einer Hand wühlte sie in ihrer Handtasche auf der Ablage und zerrte eine Plastikdose mit Tabletten hervor. Jakob hätte sie gerne gefragt, woher sie die hatte, zugleich kam ihm der Gedanke, dass er soeben eine neue Seite an Irina entdeckte. Er wagte einen scheuen Blick auf ihre Gestalt. Hübsch war sie, selbst nach dem Standard außerhalb seiner vier Wände. Privat trug sie ihr Haar offen, was ihr rundliches Gesicht umschmeichelte. Das grüne Top schmiegte sich eng an ihren Oberkörper und offenbarte überaus ansehnliche Rundungen. Wie so oft lockte sie den ganz normalen Mann in ihm hervor, was sich höchst sonderbar anfühlte.
    »Du hast geschrieben, dass deine Schwester in Potsdam wohnt. Kennst du dich denn da aus?«, fragte sie, während sie ihm die Tabletten reichte. »Hier, nimm eine oder am besten gleich zwei. Es wird dir helfen, glaube mir.«
    Er hatte am Morgen bereits sein Haloperidol genommen und es widerstrebte ihm, noch etwas anderes einzunehmen.
    »Nun mach schon«, drängte Irina. »Du willst doch nicht derart aufgelöst vor deine Mutter treten, oder?«
    Ihm fielen tausend Gründe ein, warum er nicht auf sie hören sollte, doch ihr lieblicher Duft und diese Brüste, die so unübersehbar aus dem Top quollen, vernebelten ihm das Hirn. Er wollte ihr gefallen. Also nahm er die Dose, schraubte den Sicherheitsverschluss ab und fischte zwei Kapseln heraus.
    Irina deutete nach hinten. »Auf dem Rücksitz ist eine Flasche Wasser.«
    Jakob angelte nach hinten, sorgsam darauf bedacht, Irina nicht zu berühren. Zu seiner Erleichterung handelte es sich um eine ungeöffnete Flasche, denn auch wenn es Irinas Flasche war, so verspürte er kein Verlangen danach, sie mit ihr zu teilen. Beherzt stopfte er die Kapseln in den Mund und spülte sie hinunter. Hoffentlich behielt Irina recht und die Tabletten würden ihm helfen, ruhiger zu werden. Bisher verspürte er nur den Wunsch, umzukehren und sich in seiner Wohnung zu verkriechen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie ihn aufmunternd anlächelte.
    Im Grunde hatte er keine Ahnung von der Welt und ihren Dimensionen, und so überraschte es ihn, wie schnell sie zum Haus seiner Kindheit gelangten. Er hatte geglaubt, stundenlang fahren zu müssen, doch es hatte gerade mal eine halbe Stunde gedauert.
    Fasziniert betrachtete er das Anwesen. Hier also lebten seine Mutter und seine Schwester. In diesem symmetrischen Gebäude aus Glas, umrahmt von einem

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