ESCORTER (German Edition)
verschont ihn!«, schrie sie. »Bitte!«
Tränen des Zorns und der Verzweiflung quollen aus ihren Augen, rannen über die Schläfen und tränkten ihr Haar. Von irgendwoher trat ihre Mutter auf sie zu.
»Bitte, Mama, lass nicht zu, dass sie ihm etwas antun«, flehte Doreé.
Desoderia lächelte, liebevoll, so schien es, doch Doreé sah die unheilvolle Entschlossenheit in ihren Augen und die unsichtbare Barriere, mit der sie Doreé schon ihr Leben lang auf Abstand gehalten hatte. Wie viele Jahre hatte sie damit vergeudet, zu ihrer Mutter vordringen zu wollen? Jedes einzelne davon war verschwendet, das erkannte sie jetzt. Desoderia war keine Mutter und Doreé nur ein Produkt, dass sie im Auftrag des Clans geschaffen hatte, um das zu vollenden, was noch niemand zuvor geschafft hatte. Die Menschheit dauerhaft zu unterjochen.
»Du musst verstehen«, sagte Desoderia, noch immer lächelnd. »Er ist perfekt geeignet, dir den Weg zu bereiten. Das perfekte Opfer für die Satana. Ohne David fällst du ins Nichts.«
Wieder zerrte Doreé an ihren Fesseln. »Warum lasst ihr uns nicht einfach in Ruhe? Ich bin nicht wie du. Ich will mich nicht mit einem Dämon verbinden und werde es auch nicht.«
Desoderia hob die schwarze Seidenbluse, die sie trug, und entblößte ihren Bauch, präsentierte das goldene Band, das sich fast vollständig in ihre Haut gefressen hatte. »Wir sind miteinander verbunden, Doreé, bis in den Tod. Wenn du stirbst, sterbe auch ich. Und Ophelia. Willst du das?«
Wie gebannt starrte Doreé auf das Gebilde, das ihre Mutter umschlang, sah die winzigen Widerhaken, die knapp unter der Hautoberfläche saßen, und das verkrustete Blut. »Was hat Ophelia damit zu tun?«
Nun wurde das Gesicht ihrer Mutter ernst, ihr Blick flehend. »Sie ist kein Mensch, Doreé. Ophelia ist eine Baba. Sie wurde beschworen, um mir zu dienen. Sterbe ich, wird sie gebannt. Gefangen in einem engen Gefäß, in ewiger Dunkelheit lebend, bis sie erneut beschworen wird.«
Doreé wollte ihr nicht glauben. Die Frau, die ihr als Einzige Geborgenheit gegeben hatte, konnte unmöglich ein übersinnliches Wesen sein. Sie schnaubte. »Tu nicht so, als würdest du dich um sie sorgen. Du sorgst dich doch um niemanden außer um dich selbst.«
»Das ist nicht wahr«, widersprach Desoderia und wirkte nun ehrlich betroffen. Doreé nahm ihr die Betroffenheit nicht ab. Ihre Mutter war eine hervorragende Lügnerin.
Desoderia trat näher an den Abgrund heran, so nah es ihr möglich war, ohne zu fallen. Ihre Schuhspitzen ragten über den Rand. »Du wirst es nicht bereuen, Doreé. Der Manipulator wird dir zu unvorstellbarer Macht und Reichtum verhelfen.«
»Ich weiß, wer ihn vor mir getragen hat«, stieß Doreé angewidert hervor. »Und ich will nicht im selben Atemzug genannt werden mit diesem Monster.«
»Du bist nicht wie er. Sein Wahnsinn hat alles ruiniert. Deine Macht wird sanft und heimlich, aber nicht weniger wirkungsvoll. Wie Kleopatra, Isabella die Erste, Elisabeth oder Eva Perón, nur viel größer, mächtiger.«
Doreé warf den Kopf zurück und stieß einen verzweifelten Schrei aus. »Warum verstehst du nicht? Ich will weder Macht noch Reichtum oder Ruhm. Diese Dinge sind mir scheißegal. Alles, was ich will, ist ein normales Leben.«
Desoderias Miene wurde hart. Sie wollte es verbergen, doch Doreé entging die Kombination aus Besorgnis und Wut nicht, die ihr Gesicht verdunkelte. Ihre Mutter hatte Angst. Angst vor Doreés Versagen, Angst davor, ihre Macht zu verlieren und ihr Leben noch dazu. »Du wirst dich mit Gäap verbinden, Doreé!«
Ein attraktiver Mann mit dunklem Haar und olivfarbener Haut trat hinzu und legte einen Arm um Desoderias Hüfte. »Keine Sorge, Liebste. Sie wird ihm nicht widerstehen können. Er ist ein Manipulator, schon vergessen?« Seine Blicke wanderten über Doreés Gestalt, verweilten bei dem trotzigen Funkeln ihrer Augen. »Sie ist stark und sie ist bereit. Wir sollten beginnen.«
»Ich muss sie noch aufklären, Amir«, sagte Desoderia.
Mit einem neckischen Zungenschlag verpasste er ihr einen Klaps auf das Gesäß. »Dann mach schnell, Geliebte, die anderen Clanchefs werden langsam ungeduldig.«
Geliebte. Dieser schmierige Kerl war also der Liebhaber ihrer Mutter. Angewidert verzog Doreé das Gesicht und beobachtete, wie er sich in den Halbschatten des Kellergewölbes zurückzog. Erst jetzt bemerkte sie die Leute, die dort auf Ledersesseln saßen, die Gesichter im Schatten verborgen.
»Sammelt euch, Brüder
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