Eskandar: Roman (German Edition)
Sekretär die Reise nicht allein machen muss.
Gehen Sie nur, ermuntert Aftab-Khanum ihn. Es wird Ihnen guttun. Seit Ewigkeiten haben Sie weder Ihre Notizen fortgeführt noch neue Fotografien gemacht. Auf der Reise werden Sie neue Eindrücke gewinnen. Und mir wird es auch nicht schaden, ein paar Tage allein zu sein und ohne Ihre Güte und Aufmerksamkeit zurechtkommen zu müs sen, schmeichelt ihm Aftab-Khanum. Wer weiß, vielleicht werde ich eine der anderen Lehrerinnen und ein paar meiner Schülerinnen einladen und Khoresht-Bademjan kochen.
Wollen Sie sich über mich lustig machen? Ausgerechnet wenn ich nicht da bin, kochen sie Auberginen und Reis, eines meiner Leibgerichte?
Ja, sagt Aftab-Khanum grinsend.
Eskandar-Agha gefällt es, wenn sie die Kecke und er den Ahnungslosen spielt.
Wenn ich es mir recht überlege, erklärt sie, werde ich damit warten, bis Sie wieder zurück sind, und für meine Schülerinnen Ssabsi-polo-Mahi zubereiten.
Aber das ist mein eigentliches Leibgericht.
Dann werde ich eben auch damit warten, sagt Aftab-Khanum und lacht. Auf diese Weise kann ich beruhigt sein, dass Sie nicht im Süden bleiben.
Wie kommen Sie darauf, dass ich nicht zurückkommen würde?
Der einzige Grund, der Männer davon abhält, nach Hause zurückzukehren, antwortet Aftab-Khanum, ohne ihren Mann dabei aus den Augen zu lassen, ist eine andere Frau.
Wie ein Gebet hört Eskandar-Agha auf dem Weg zum Schreibbüro wieder und wieder die Worte seiner Aftab-Khanum: eine andere Frau, eine andere Frau. Und je länger er unterwegs ist, desto mehr bekommt diese andere Frau ein Gesicht und sogar einen Duft, den von Mahrokh-Khanum.
Jahre hat er nicht mehr an sie gedacht, aber jetzt, durch die bevorstehende Reise in den Süden und die Worte seiner Aftab-Khanum, ist längst Vergessenem neues Leben eingehaucht.
Eskandar-Agha versucht die Bilder in seinem Kopf mit Bildern von dampfendem Ssabsi-polo und Bademjan, Ghure, Zimt und gebratenen Zwiebeln zu vertreiben. Aber der Duft von Honig- und Milchseife; Bilder von Mahrokh-Khanum im dünnen Hemd, durch das ihre Brüste hindurchschimmern; Bilder von seiner Hand, die Öl auf der glatten, dunklen Haut und dem gesamten Körper von Mahrokh-Khanum verteilen, siegen.
Als wären nicht Jahrzehnte vergangen, sieht Eskandar-Agha, wie er zusammen mit dem Dienstmädchen die Essenzen aufgekocht hat, sie mit dem Holzstab gerührt und den Sud durch ein Tuch gegossen hat; und die Dienerin die Seife gepresst und sie mit ihrer zarten Hand geformt hat. Als er sich dann noch erinnert, wie er seine Mahrokh-Khanum gewaschen und sie sich anschließend geliebt haben, wird es Eskandar-Agha heiß, sein Kopf wird leicht, alles darin dreht sich, und er muss sich an den Rand des Djub setzen, um sich wieder zu fangen.
Möge der Allmächtige mich für diese schrecklichen Gedanken bestrafen, flucht er vor sich hin und beißt sich in die Hand. Gott ist mein Zeuge, es ist nicht meine Schuld, die verehrte Aftab-Khanum hat mich auf diese Gedanken gebracht, murmelt er vor sich hin und versucht, sich auf die Geräusche der Straße zu konzentrieren und damit abzulenken, dass er die vorbeifahrenden Automobile und Droschken zählt.
Aber was auch immer Eskandar-Agha versucht, die Bilder von Mahrokh-Khanum, ihren hübschen Dienerinnen und sogar wildfremden Frauen wollen einfach nicht aus seinem Kopf verschwinden.
Väterchen, vergeben Sie, sagt ein junger Mann, beugt sich zu Eskandar-Agha hinunter, legt ihm die Hand auf die Schulter. Geht es Ihnen nicht gut? Kann ich helfen?
Eskandar-Agha kneift die Augen zusammen, damit das Licht der Sonne ihn nicht blendet. Meinen Sie mich?
Der junge Mann lächelt besorgt. Benötigen Sie Hilfe?
Als wäre er eingeschlafen und würde nur langsam aufwachen, reibt Eskandar-Agha sich die Augen. Es ist das erste Mal, dass mich jemand Väterchen nennt, sagt er. Danke, mein Sohn, Sie haben bereits geholfen. So ist das Leben, murmelt Eskandar-Agha. Zeit kommt und geht. Ich bin ein Väterchen geworden, und wahrscheinlich ist die schöne Mahrokh auch nicht mehr die, die sie einmal war.
Wer?, fragt der junge Mann.
Ach, nichts. Eskandar-Agha winkt ab, schüttelt den Kopf und sieht dem jungen Mann hinterher, der ihn Väterchen genannt hat.
Was ist mit Ihnen?, fragt der Sekretär, wie immer lächelnd und in seinem gebügelten weißen Hemd strahlend, als Eskandar-Agha später als sonst im Büro erscheint. Sie sehen aus, als hätten Sie lange geschlafen.
Gut beobachtet, sagt Eskandar-Agha.
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