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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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Wirklich gut beobachtet. In der Tat habe ich geschlafen. Aber jetzt bin ich wach und bereit.
    Geschlafen? Wach? Bereit wofür?
    Bereit für alles, bereit für was immer kommen mag, sagt Eskandar-Agha. Einfach nur bereit.
    Gut, sagt der Sekretär, runzelt die Stirn, hat aber kein Interesse, weiter nachzufragen, was Eskandar-Agha meint. Dann können wir also aufbrechen?
    Wann immer und mit welchem Ziel auch immer Sie wollen, antwortet Eskandar-Agha und merkt nicht, wie er dem Sekretär mit seiner Art auf die Nerven geht.
    Erst nachdem sie die Billetts für die Eisenbahn gekauft haben und auf ihren Plätzen sitzen, entspannt der Sekretär sich wieder. Es ist das erste Mal, dass ich mit der Eisenbahn fahre, sagt er und umarmt die Tasche mit den Dokumenten, als wäre sie ein Kind.
    Sie brauchen keine Angst zu haben, es ist vollkommen ungefährlich, beruhigt Eskandar-Agha ihn.
    Im ersten Moment versteht der Sekretär nicht, dann lacht er. Nein, nein, sagt er, ich habe keine Angst. Im Gegenteil, ich freue mich auf die Fahrt und bin gespannt, ob es stimmt, was die Leute sagen, dass man in der Eisenbahn gut und tief schlafen kann.
    Eskandar-Agha lächelt genauso freundlich wie der Sekretär. Die Fahrt ist lang, wir können uns über vieles unterhalten.
    Unterhalten? Worüber sollen wir sprechen?
    Über alles, antwortet Eskandar-Agha vergnügt. Seit Jahren arbeite ich nun für den verehrten Dr. Mossadegh, bin ihm aber nur selten begegnet und kenne ihn daher nicht. Sie können mir zum Beispiel erzählen, was für ein Mensch er ist. Und über seine Partei, die Nationale Front, wüsste ich auch gerne mehr, und es interessiert mich brennend, wie er es anstellen will, die Nationalisierung des Erdöls durchzusetzen und den Schah dazu zu bringen, seine Pläne zu unterstützen, ruft Eskandar-Agha aus. Doch die einzige Antwort, die er vom Sekretär erhält, ist ein leises Schnarchen. Selbst im Schlaf lächelt er, murmelt Eskandar-Agha enttäuscht und sieht aus dem Fenster.
    Der Sekretär wacht nur auf, wenn der Zug hält. Dann springt er auf den Bahnsteig, vertritt sich die Beine, streckt die Arme, stopft sein weißes Hemd wieder säuberlich in die Hose zurück, kommt ins Abteil, schließt die Augen und schläft. Kurz vor ihrem Ziel Abadan reckt und streckt er sich ein letztes Mal, isst, ohne Eskandar-Agha etwas davon anzubieten, sein mitgebrachtes Brot, seine vier hart gekochten Eier, eingelegte Gurken und Tomaten, bekleckert sein weißes Hemd, lächelt und spricht endlich wieder.
    Verehrter Eskandar-Agha, Sie sind der einzige Mensch, den ich kenne, der gesehen hat, wie das erste Öl aus dem Boden des Iran geschossen ist. Man könnte sagen, Sie sind ein Teil der Geschichte unserer Heimat, und der des Naft allemal. Mit Ihnen in meiner Delegation werden wir bei den Farangi mächtig Eindruck schinden.
    Es macht mich glücklich, meiner Heimat einen Dienst erweisen zu können, erwidert Eskandar-Agha höflich. Aber bitte beschämen Sie mich nicht, ich bin nur ein einfacher Dienstbote und Schuhputzer der Engelissi gewesen, und heute bin ich eine einfache Schreibkraft.
    Ich sehe, Sie haben Ihren Fotoapparat dabei, fällt der Sekretär ihm ins Wort. Machen Sie so viele Aufnahmen, wie Sie wollen, sagt er und merkt, wie überheblich er klingt, sagt, ich meine, ich werde Ihnen Ihre Bilder abkaufen, schließlich sind Sie weit und breit der beste Fotograf, den ich kenne.
    Der Meinung ist auch meine verehrte Frau, sagt Eskandar-Agha schmunzelnd und hofft, den Sekretär amüsieren zu können, als er sagt, allerdings ist es in ihrem Fall so, dass ich weit und breit auch der einzige Fotograf bin, den sie kennt.
    Statt zu lachen oder gar zu antworten, verlässt der Sekretär ausgeschlafen und schwungvoll das Abteil und ruft, nun, da sind wir.
    In Abadan erkennt Eskandar-Agha kaum etwas wieder. Aus dem kleinen beschaulichen Städtchen ist eine große, unübersichtliche Stadt geworden. Viele Straßen sind gepflastert oder asphaltiert, und auf beiden Seiten stehen Bäume. Alles ist sauber, die Geschäfte sind einladend, es gibt viele Speiselokale, Teehäuser und Kaffeehäuser für die Farangi. An manchen öffentlichen Plätzen plätschern Springbrunnen beruhigend und verbreiten den Eindruck, als wäre die Stadt reich. Das Viertel der Farangi mit seinen duftenden Gärten, Blumen, Bäumen, Wiesen, Schwimmbecken, wo er vor Jahren mit seiner Aftab-Khanum Schutz vor der Hitze gefunden hat, hat seine Beschaulichkeit verloren und ist so groß geworden, dass man

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