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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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der Sekretär spöttisch. Erwachsene, die sich wie Kinder benehmen und spielen. Dort gibt es ein großes Wasserbecken, in dem Frauen und Männer zusammen baden. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, sie sind halb nackt. Es ist beschämend, und sie tun es vor jedermanns Auge, und Männer und Frauen berühren, umarmen und küssen sich sogar in der Öffentlichkeit.
    Alles das haben Sie an einem einzigen Tag gesehen?, fragt Eskandar-Agha.
    Ich bin dem Geschrei und lauten Lachen gefolgt und konnte von einer Anhöhe aus hinter die hohe Mauer sehen. Da habe ich beobachtet, wie diese gewissenlosen Farangi mitten in der Wüste ein ganzes Becken mit kostbarem Wasser füllen, nur um sich darin zu baden oder um darin zu spielen oder was immer es ist, was sie dort treiben.
    Obwohl er die Geschichte von seinem Dorf, dem Wasser und dem gro ßen Sterben dem Sekretär schon mehr als einmal erzählt hat, überlegt Eskandar-Agha, ob er es nicht noch einmal tun soll, aber der Sekretär lässt ihn ohnehin nicht zu Wort kommen.
    Als ich in der sengenden Sonne gestanden und hinter der Mauer die Farangi beobachtet habe, wie sie in dem blauen Wasser planschen, musste ich an Sie denken und daran, dass der Arbab Ihres Dorfes das Wasser zu den Farangi umgeleitet hat und Ihr Dorf verdorrt ist, sagt der Sekretär und gewinnt damit die Sympathie von Eskandar-Agha für sich zurück.
    Aber eins muss man den Farangi lassen, sagt der Sekretär, und das Lächeln kehrt zurück in sein Gesicht. Die wissen, wie sie Spaß haben und das Leben genießen können. Und spätestens seit ich das gesehen habe, wundere ich mich nicht mehr darüber, dass sie die Welt beherrschen. Und noch eins muss man ihnen lassen. Sie sind wirklich mutig. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie sie auf einen schwindelerregend hohen Turm klettern, den sie zu keinem anderen Zweck gebaut haben, als um sich von dort oben todesmutig ins Wasser zu stürzen. Das Wasser spritzt in die Höhe, sie selber landen am Boden des Beckens, und man glaubt jedes Mal, sie werden es nicht schaffen, wieder heraufzukommen. Der Sekretär reißt die Augen weit auf und spricht leise. Sogar eine Frau ist gesprungen.
    Nur um irgendetwas zu erwidern, sagt Eskandar-Agha, vielleicht ist es tatsächlich eine Art Training, mit dem sie ihren Mut stärken. So wie ich als junger Mann ins Sur-Khane gegangen bin und mit anderen Männern gerungen habe, um meine Kraft und meinen Mut zu stärken, stürzen die Farangi sich von hohen Türmen ins Wasser.
    Wenn man Geld hat, sagt der Sekretär, kann man sich alles kaufen. Schiffe, mit denen man das Naft fremder Nationen wegschaffen kann; mitten in der Wüste riesige Becken, bis zum Rand gefüllt mit frischem Trinkwasser; und vielleicht kann man sich mit Geld sogar Mut kaufen, sodass man sich von der Spitze eines Turms in die Tiefe stürzen kann, sagt der Sekretär und gähnt.
    Regen Sie sich nicht auf. Davon hat doch niemand was, versucht Eskandar-Agha den Sekretär zu beruhigen.
    Sie haben recht, durch Reden allein werden wir die Welt nicht verändern. Ich bin nur ein kleiner Sekretär, aber auch ich habe eine Stimme, und jetzt da ich mit eigenen Augen sehen konnte, wie diese Farangi leben und was sie mit unserem Geld machen, werde ich meine Stimme in Zukunft noch lauter erheben. Und wenn unser Naft und andere Bodenschätze erst einmal uns gehören, werde ich mich als Erstes dafür einsetzen, dass die siebzigtausend iranischen Angestellten der AIOC nicht weiter in ärmlichen Verhältnissen leben und in Hütten hausen müssen, deren Dächer aus Pappe bestehen. Und nur weil sie kein sauberes Wasser haben, bekommen sie alle möglichen Krankheiten, während die Farangi im Wasser baden.
    Mashallah, bravo, Agha, Sie sollten Politiker werden, sagt Eskandar-Agha und freut sich, weil der Sekretär sich um seine Aufmerksamkeit bemüht.
    Ich habe nichts dagegen, wenn die Ausländer sich in unserer Heimat wohlfühlen, sagt der Sekretär. Es freut mich sogar. Sollen sie so viele Dienstboten und große Wasserbecken haben, wie sie wollen, auch ihre Tennis- und Reitturniere und Feste feiern, so oft sie wollen. Von mir aus können ihre hübschen Häuser mit den grünen Gärten weiterhin so geräumig und groß sein, dass jedes ihrer Kinder und sogar jeder ihrer Hunde ein eigenes Zimmer bewohnt. Was ich aber möchte, nein, was ich verlange, ist, dass nicht nur die Farangi, sondern auch wir Iraner in den Genuss dieser Vorzüge kommen, die schließlich aus dem Reichtum unseres Landes bezahlt

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