Eskandar: Roman (German Edition)
seine Enkelin Aftab sitzen unter dem Korssi, sehen fern und unterhalten sich den ganzen Tag über das, was sie gesehen haben.
Wer ist das?, fragt Aftab.
Das ist der Präsident der Amrikai, er heißt Jimmy Carter. Er und seine Frau sind zu Gast in unserem Land, um zusammen mit unserem König Mohammad-Resa-Schah das neue Farangi-Jahr zu feiern, erklärt Sahra.
Man könnte auch sagen, um zu retten, was zu retten ist, und den königlichen Hals aus der Schlinge zu ziehen, sagt Alexander.
Es gibt kein anderes Regierungsoberhaupt, sagt Carter in die Kamera, dem ich dankbarer bin und mit dem mich eine tiefere Freundschaft verbindet als zum Schah. Der Iran ist eine Insel der Stabilität, übersetzt Sahra schneller als der Übersetzer im Fernseher.
Ich wusste nicht, dass du so gut Engelissi sprichst, sagt Eskandar-Agha stolz.
Es gibt vieles über mich, was Sie nicht wissen, sagt Sahra, bereut sofort ihre Stichelei und sagt, aber nun werden wir Gelegenheit haben, uns gegenseitig besser kennenzulernen.
Ich möchte eine Wette abschließen, sagt Alexander, zieht einen Zwei-Toman-Schein aus der Tasche und hält ihn in die Luft. Ich wette, Carter wird sich in weniger als zwei Monaten vom König abwenden und Khomeini unterstützen.
Dagegen wette ich nicht, antwortet Sahra. Schließlich ist es den Amrikai vollkommen egal, wer das Land führt, Hauptsache, sie können das Naft kontrollieren.
Der Nachrichtensprecher hebt die Rolle des Iran und seinen Einfluss auf die Länder der Region hervor. Er preist die Erz- und Uranvorkommen und die Bedeutung des Persischen Golfs und sagt, der amerikanische Präsident verlasse sich darauf, den Iran als Basis für das SALT-II-Abkommen mit der Sowjetunion nutzen zu können.
Vielleicht lassen die Amrikai sich auf ein Geschäft ganz anderer Art ein, sagt Nimtadj grinsend. Ich habe gerade eine Geschichte geschrieben. Darin lässt die amerikanische Regierung das ganze iranische Volk, alle fünfunddreißig Millionen, evakuieren. Sie geben uns irgendwo in ihrem riesigen Amerika eine neue Heimat. Dafür bekommen sie alles das hier geschenkt. Angefangen von der Bedeutung des Iran für die Welt bis zu unserem Petroleum, Uran und Erz.
Wie geht die Geschichte zu Ende?, fragt die kleine Aftab mit glänzenden Augen.
Wir sind endlich frei und leben in Frieden, antwortet Nimtadj und lacht.
Frieden, Freiheit, Demokratie, ruft Aftab und wirft die Arme in die Luft.
Meine Schwester, die Künstlerin, sagt Alexander und drückt Nimtadj an sein Herz.
Seht doch, ruft Eskandar-Agha und zeigt auf den Fernseher. Das ist die Moschee in Qom. Dort bin ich als kleiner Junge gewesen und habe mit den Nationalisten gebetet, als wir die Stadt erobert haben. Und zwar im Handumdrehen, sagt Eskandar-Agha und kneift seiner Enkelin liebevoll in die Wange.
In der heiligen Stadt Qom halten die Unruhen weiter an, sagt der Nachrichtensprecher. Bei den Aufständen hat es Tote und Verletzte gegeben.
Der König macht Khomeini verantwortlich für die Unruhen, sagt Sahra. Als wäre es jetzt noch wichtig, wer ihn stürzen wird. Entweder der Ayatollah wird die Leute aufhetzen. Oder die Farangi werden den König fallen lassen und ein neues Regime installieren.
Eskandar-Agha sieht seine Tochter stolz an und sagt, du hast vollkommen recht, mein Kind. So oder so, die Tage der Monarchie sind gezählt.
Ich bin bereit, eine weitere Wette abzuschließen, sagt Alexander und zieht seinen Zwei-Toman-Schein wieder aus der Hosentasche. Ich wette, auch dieses Mal wird der Schah sich ins Ausland absetzen. Anders als 1953 wird er dieses Mal seine Flucht allerdings nicht mit leeren Händen antreten, sondern Wagenladungen voll Geld und nationalem Eigentum mitnehmen.
Alexander der Große hat vor zweitausend Jahren sechstausend Kamele und zehntausend Maultiere mit den Schätzen des Iran beladen und diese abtransportiert, sagt Eskandar-Agha. Allerdings ist er ein Feind gewesen und hat uns bezwungen. Somit war es also sein Recht, Kriegsbeute zu machen. Was aber kann ein Herrscher wohl als Rechtfertigung anführen, sein eigenes Volk zu berauben?
Wohl gesprochen, sagt Sahra und grinst.
Wohl gesprochen, sagt Aftab im gleichen Tonfall und grinst wie ihre Mutter: Zähne zusammen und den Mund weit geöffnet.
1978, ein großer Schmerz
Eskandar-Agha ist kaum wiederzuerkennen. Er hockt in sich zusam mengesunken in einem viel zu großen Anzug zwischen den Trauernden, und nur wenn er sich bewegt, merkt man, dass ein Mensch in der schwarzen Jacke
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