Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
Brust und sah wirklich einen Milchtropfen daraus hervorquellen. Aber das war doch gänzlich ausgeschlossen, eine unverheiratete Frau konnte ja gar keine Milch haben! Hier geschah ein Wunder, etwas, das in modernen Zeiten keine Erklärung findet. Jedes Mal wenn der Kleine nun merkte, daß man ihm seine Nahrungsquelle entzog, begann er erneut jämmerlich zu weinen. Dann hielt ihm Tita sogleich wieder eine Brustwarze hin, bis sein Hunger endlich gestillt war und er lammfromm in ihren Armen einschlief. So innig war sie in die Betrachtung des Kindes versunken, daß sie es nicht einmal wahrnahm, als Pedro in die Küche trat. Tita war in diesem Moment die leibhaftige Ceres, die Göttin der Nahrungsfülle.
Pedro zeigte sich nicht im mindesten überrascht und verlangte auch gar nicht erst nach einer Erklärung. Mit zufriedenem Lächeln kam er näher, beugte sich herab und hauchte Tita einen zärtlichen Kuß auf die Stirn. Endlich war ihr kleiner Liebling gesättigt, und Tita konnte ihn von der Brust nehmen. Da fiel Pedros Blick auf das, was er vorher nur unter der Bluse erahnt hatte: Titas Brüste.
Tita zog hastig die Bluse zu, dann half ihr Pedro stillschweigend und mit äußerster Behutsamkeit, die Knöpfe zu schließen. Währenddessen wurden beide von einer Reihe von Empfindungen übermannt: Liebe, Begierde, Zärtlichkeit, Wollust, Scham ... Furcht, ihre Blöße zu sehen. Das überraschende Geräusch von Mama Elenas Schritten auf den knarrenden Holzdielen warnte sie eben noch rechtzeitig vor der Gefahr. Tita gelang es knapp, sich die Bluse zurechtzuzupfen, und Pedro trat hastig zurück, bevor Mama Elena die Küche betrat. Daher konnte sie, als sie die Tür öffnete, nichts Anstößiges, nichts Tadelnswertes entdecken. Pedro und Tita strahlten völlige Gelassenheit aus.
Gleichwohl witterte Mama Elena, daß etwas in der Luft lag, und so schärfte sie alle ihre Sinne, um herauszufinden, was sie wohl so beunruhigen mochte.
»Tita, was ist mit dem Kind los? Hast du es füttern können?«
»Ja, Mama, es hat Tee zu sich genommen und schläft jetzt friedlich.«
»Gott sei gelobt. Und du, Pedro, worauf wartest du noch, nimm endlich deinen Sohn und bring ihn zu deiner Frau! Ein Kind sollte nicht länger als nötig von seiner Mutter getrennt sein!«
Pedro verließ die Küche mit dem Kind auf dem Arm; derweil hörte Mama Elena nicht auf, Tita eingehend zu mustern, und nahm schließlich in den Augen ihrer Tochter eine winzige Trübung wahr, die ihr absolut nicht gefiel.
»Ist der Champurrado für deine Schwester schon fertig?«
»Ja, Mami.«
»Gib her, sie muß Tag und Nacht davon essen, damit sie endlich Milch bildet.«
Doch so viel Champurrado Rosaura auch schluckte, es gelang ihr nicht, auch nur einen Tropfen Milch zu produzieren. Tita hingegen hatte von jenem Tag an genügend Milch, um nicht nur den kleinen Roberto zu stillen, sondern wenn nötig eine ganze Schar von Säuglingen. Da Rosaura noch mehrere Tage lang nicht wieder zu Kräften kam, wunderte sich niemand, daß Tita ihren kleinen Neffen fütterte; was jedoch niemals entdeckt wurde, war, wie sie dies vollbrachte, da Tita mit Pedros Hilfe peinlichst darüber wachte, daß keiner zusah.
Das Kind trug beiden also nicht etwa eine Trennung ein, vielmehr verband es sie nur umso stärker. Ja man mochte fast meinen, nicht Rosaura, sondern Tita sei die leibliche Mutter. Genau das empfand sie nicht nur, sondern trug es auch gebührend zur Schau. Mit welchem Stolz hielt sie ihren Neffen am Tag der Taufe auf den Armen und zeigte ihn unentwegt bei allen Gästen herum! Rosaura konnte nur eben an der kirchlichen Zeremonie teilnehmen, denn sie war noch nicht wieder genesen. Daher nahm Tita ihren Platz auch beim Festmahl ein.
Doktor Brown war von Titas Anblick geradezu entzückt und starrte sie unverwandt an. Er konnte gar nicht mehr fortsehen. John wohnte nur deshalb der Taufe bei, weil er hoffte, sie endlich für einen Moment unter vier Augen zu sprechen. Obwohl sie sich während seiner Arztbesuche bei Rosaura täglich sahen, hatte er bisher niemals die Gelegenheit gefunden, frei und ungestört mit Tita zu reden. Also nutzte er nun den günstigen Moment, als Tita nahe an seinem Platz vorbeikam, erhob sich und gesellte sich zu ihr unter dem Vorwand, er wolle einen Blick auf das Kind werfen.
»Wie hübsch macht sich der Kleine auf den Armen einer so bezaubernden Tante!«
»Danke, Doktor.«
»Und das, obwohl er nicht einmal ihr Sohn ist, wie reizend wird sie erst ausschauen,
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