Essen kann jeder
Erdbeere. Da stehen Schweine nämlich total drauf. Futterzusatzaromen sind ein Milliardengeschäft in Europa. Für Hühner haben Lebensmittelchemiker sogar ein Aroma mit der Geschmacksrichtung »Regenwurm« hergestellt. Aber woher wissen diese Laborratten eigentlich, wie Regenwürmer schmecken? Und die arme Sau, die die Blindverkostung übernehmen musste! Aber geht’s uns denn besser als dem lieben Vieh? Welche Sauereien werden bei uns durch leckere Arömchen übertüncht? Wissen Sie, wie Analogkäse hergestellt wird? Oder deutscher Kaviar? Oder Formvorderfleisch? Glauben Sie mir, Sie wollen es nicht wissen!
Selbst ich als studierter Chemiker blicke bei der Vielfalt von Substanzen, die täglich unseren Körper überschwemmen, nicht mehr durch. Was moderne Großbäckereien in ein ganz normales Weizenbrötchen verbacken, liest sich wie die Einkaufsliste eines Bombenbauers: Weinsäure-Di-Acetylester, Glycerin, Calciumcitrat, Natriumcarbonat, Dinatriumdihydrogenphosphat, Ascorbin- und Zitronensäure, Natriumstearoyl-2-lactylat, Wasser, Mehl, Hefe … Da fragt sich der kritische Verbraucher: Was haben eigentlich heute noch Wasser, Mehl und Hefe in einem Brötchen verloren?
Der Steinzeitmensch im Supermarkt
Auch wenn ich nicht so leicht in Panik gerate und eine Stimme der Mäßigung im Meer der allgemeinen Ernährungshysterie sein möchte, bezweifle ich, dass unser Körper mit diesem Waffen arsenal der Lebensmittelkampfstoffe souverän umgehen kann. Wir dürfen nicht vergessen: Der Mensch ist ernährungsphy siologisch immer noch auf das Nahrungsangebot der letzten Stein zeit eingestellt, als wir noch Sammler und Jäger waren. Gewissermaßen irren wir mit knurrendem Magen auf der Suche nach Beeren, Wurzeln, Wild und Aas durch den Supermarkt. Ja, Aas. Unsere frühen Vorfahren haben vermutlich auch Aas nicht verschmäht. Eine Tatsache, die den Zustand meines Kühlschranks natürlich erklären würde. Biologische Systeme entwickeln sich sehr, sehr langsam. Wir können uns nicht von einer auf die andere Generation Geschmacksknospen wachsen lassen, mit denen wir erkennen, dass uns der Lebensmittelchemiker mit einer Überdosis Imitat-Ananas auf Schimmelbasis verarscht. Allein die Fähigkeit, Milch trinken und verdauen zu können, hat unseren Vorfahren jahrhundertelang Durchfall und Blähungen beschert. Denn das Milchzucker abbauende Enzym Laktase war beim erwachsenen Homo sapiens gar nicht vorgesehen. Die Laktase war vielmehr ein Privileg der Neugeborenen, damit sie sich nicht mit dem Vater um die Brüste der Mutter prügeln mussten. Erwachsene Asiaten vertragen bis heute keine Kuhmilch, weil ihnen dieses Enzym fehlt. Doch westlich des Urals muss die Milchtrinkerei ab irgendeinem Zeitpunkt der Frühgeschichte so vorteilhaft gewesen sein, dass sie die anfänglichen Verdauungsprobleme aufwog. Vielleicht, weil man zwar von einem Säbelzahntiger, selten jedoch von einer Kuh aufgefressen wurde. Oder weil in der aufziehenden Eiszeit ein warmer Wind im Wams gar nicht so unangenehm war. Wer weiß?
Wir sehen: Auf einen Wechsel der Umweltbedingungen reagieren Mensch und Tier äußerst empfindlich. Und gerade die Veränderung beim Nahrungsangebot ist heute im Vergleich zur Steinzeit dramatisch. Von der Brombeerhecke, unter der wilde Möhren sprießen und ein Reh verwest, bis zum Supermarkt mit seinen Feinkosttheken und Tiefkühltruhen – das kommt ernährungsphysiologisch einem Meteoriteneinschlag gleich. Ständig wird unser armer, alter Steinzeitdarm mit Errungenschaften der modernen Lebensmittelchemie traktiert, die selbst einer Klär anlage Verdauungsprobleme bereiten würden.
Unser Essen – ein Chemiebaukasten
Neben den 2 500 Aromastoffen, die nicht angegeben werden müssen, sind über 300 Substanzen in der EU als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen. Da gibt es Emulgatoren, Säureregulatoren und Stabilisatoren. Farbstoffe, Konservierungsstoffe und Füll stoffe. Säuerungsmittel, Antioxidationsmittel und Backtrieb mittel. Treibgase, Packgase und Edelgase. Manche Substanzklassen klingen wie Begriffe aus der Sexualkunde: Feuchthaltemittel und Schaumverhüter würde man eher im Bett als im Essen vermuten.
Die Frage ist natürlich: Ist die ganze Chemie im Essen schlimm? Die Antwort hängt stark davon ab, wen man fragt und von wem dieser bezahlt wird. Dass Lebensmittelzusatzstoffe Allergien auslösen können, gilt jedoch als erwiesen. Das promi nenteste Beispiel hierfür ist das Chinarestaurant-Syndrom. Wenn Sie nach einem Besuch
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