Essen kann jeder
zugesetzten Vitamine braucht man, um den Zuckerschock zu verkraften.«
»Dann ist auch noch Sorbitsirup drinnen! Das ist ein Süßstoff.«
»Warum muss man ein Produkt, das praktisch nur aus Zucker besteht, auch noch süßen?«
»Schau mal. Wasser-Eis. Dass es das in Zeiten des Magnum-Mandel-Fruit-Temptation-Joghurt-Fresh-Wahnsinns noch gibt.«
»Zwei Pfennige hat damals eine Stange gekostet.«
»Natürlich. Kleiner Preis, aber eine riesige Gewinnspanne. Man braucht zur Herstellung nur Wasser, Farbstoff und Aroma. Die Produktkosten liegen wahrscheinlich bei 2 hoch minus 26 Cent.«
»Vor allem Erdbeere hat fies geschmeckt wie … wie …«
»… ein Chemie-Unfall!«
»Genau. Aber als Kind steht man drauf.«
Blasen im Kopf – Tee im Bauch
Ja, Kinder lieben Chemie. Meiner Nichte steht zum Beispiel total auf Bubble Tea. Kennen Sie das? Dieses Gesöff kommt aus Taiwan und verbreitet sich gerade schneller in Europa als die asiatische Grippe. Nur dass es gegen Bubble Tea noch keinen Impfstoff gibt. Doch Bubble Tea ist das Trendgetränk des Jahres 2012. Es ist sozusagen in aller Munde. Oder besser in aller Mägen. Wo bei ich es persönlich sehr schwierig finde, das Zeug auch in selbigem zu behalten.
Als ich zum ersten Mal davon gelesen habe, dachte ich mir: »Was der Lifestyle für seltsame Kapriolen schlägt. Blasentee-Trinken wird schick!« Bubble Tea – das gefällt mir nicht. Ich bin kein Teetrinker. Vor allem Grüntee ist mir völlig suspekt. Unbehandelte Teeblätter!? Das heißt, sie sind voller Gerbstoffe, Bitter stoffe, Alkaloide … Grüntee ist doch hoch aggressiv, oder warum sehen Sozialpädagogen immer so fertig aus? Aber meine Nichte hat gesagt: Bubble Tea ist anders. Also haben wir es probiert. Sie hatte einen kalten »Greenapplegreentea mit Poppingbobaspeach ohne Pearls« und ich einen warmen »Blackcurrant Blacktea mit Poppingbobasmango mit Pearls«. Das glaube ich zumindest. Bei der Bestellung hab ich mich etwas dämlich angestellt. Wie demütigend: Da habe ich Chemie studiert und weiß, wie man N-(4-me thylsulfanyl-butyl)phthalimid kocht, aber bei Bubble Tea musste ich mir von meiner Nichte helfen lassen.
Denn einen Bubble Tea in einem Bubble-Tea-Laden zu kaufen ist gar nicht so einfach. Erst muss man sich aussuchen, ob Grün- oder Schwarztee. Wenn man Glück hat … Wenn man Pech hat, muss man auch noch zwischen Milch, Joghurt und sogar Kaffee entscheiden. Danach wählt man einen aromatisierten Fruchtsirup aus. Es gibt eigentlich alles: Strawberry, Raspberry, Gooseberry, Pear, Melon, Cherry, Plum … Wenigstens lernen die Kids auf diese Weise ein bisschen Englisch. Abschließend sucht man sich die »Toppings« aus. Denn das ist das Besondere am Bubble Tea: Der Brechreiz wird gleich doppelt ausgelöst. Einerseits durch den Geschmack, andererseits durch viele, kleine, glitschige Kügelchen, die sich anfühlen, als würden viele kleine, glitschige Kinderhände ihre Fingerchen tief in deinen Hals stecken. Zwei Sorten dieser »Toppings« stehen zur Auswahl: Das eine sind Tapioka Pearls. Kein Witz: TAPIOKA! Das gab es früher nur in sehr gut sortierten Reformkostläden. Aber nicht mal der durchgeknallteste Seitan-Seppl wäre auf die Idee gekommen, den auch noch in seinen Yogi-Tee reinzuhauen. Die Tapioka Pearls schmecken eigentlich nach nichts, was im Falle von Bubble Tea aber absolut positiv zu bewerten ist. Denn da gibt es noch die »Popping Bobas«. Das sind wabbelige Bällchen, gefüllt mit bonbonfarbigem Zuckerschleim. Sie flottieren in der Flüssigkeit, als hätte ein Frosch in den Becher gelaicht. Und beim Trinken? Stellen Sie sich einfach vor, wie ein riesiger Pickel auf Ihrer Zunge zerplatzt! So ungefähr … Auch hier gibt es von »A wie Ananas« bis »Z wie Zink« jede Geschmacksrichtung, nach der das jugendliche Herz dürstet. Am Ende dieser ganzen Prozedur angekommen, wird man auch noch vor die Wahl gestellt, ob man das Ganze heiß oder kalt serviert haben will. Die finale Krönung: Das Gesöff wird wie infektiöser Krankenhausabfall in Plastikbehältern luftdicht verschweißt. Fertig.
Auf diese Weise kann man Hunderte Varianten von Bubble Teas mixen. Und das alles hat für die Hersteller von Bubble Tea einen großen Vorteil. Von Rechts wegen ist das Getränk nämlich als »lose Ware« zu betrachten. Schließlich wird es ja erst unter den Augen des Käufers endgültig fertig gemixt. Für den Verbraucher allerdings hat das eine fatale Konsequenz: Die Inhaltsstoffe des Getränks sind
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