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Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)

Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition)

Titel: Essenz: Band 1 [Das Blut der Götter] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Youya Lo
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Gasse vor Flints Schaufenster zu parken. Heute
würde Julian darauf verzichten, Anwohner und sonstige Verkehrsteilnehmer zu
nerven, indem er die Straße blockierte.
    Von seinem Büro aus teleportierte er direkt in das
Hinterzimmer. Flints Laden hatte noch nicht geöffnet. Niemand war da, aber nach
all den Jahren hatte Julian eine gewisse Routine. Er fühlte sich hier fast
schon wie zu Hause. Sein Blick wanderte kurz auf die oberste Schublade in der
Mitte des alten Sekretärs, jedoch ohne sie zu öffnen und den Schlüssel für den veralteten
Metallklotz herausschweben zu lassen, den der gute Flint Safe nannte. Julian
befahl dem Schließmechanismus einfach, die entsprechenden Drehungen
auszuführen, und die Tür sprang auf.
     
    Nichts, nur das Kästchen mit dem Ring seiner Frau.
    Seit 21 Jahren bewahrte Julian ihn hier bei Flint auf.
Seit Clares Todestag, der gleichzeitig Nikas Geburtstag war. Aber der Saphir in
dem schmalen Ring war bereits geweiht und seine Magie ging in die völlig
falsche Richtung, denn die Linderung einer Migräne oder sonstigen Frauenleiden
würde bei Weitem nicht ausreichen. Julian schluckte seinen Frust herunter und
steckte das Kästchen trotzdem ein. In der nächsten Sekunde stand er knietief in
haitianischem Schlamm.
    „Verdammte Einöde“, murmelte er und trat aus dem matschigen
Mangrovengestrüpp heraus auf die unbefestigte Straße. Dann stapfte er durch die
Dunkelheit geradewegs auf die nächste Wellblechhütte zu.

Sieben
     
    Nika hatte den Wald längst verlassen, als sie begriff,
wohin sie unterwegs war.
    „Elise… wer von uns beiden hat den Weg zu Tante Tess
eingeschlagen?“, murmelte sie und befahl ihrer Stute, über das steinige Bett des
ausgetrockneten Baches zu springen, das vor ihnen lag. Elise gehorchte, so wie
sie es immer tat, doch als das Gewicht ihrer Vorderläufe auf das dichte, graugefrorene
Laub aufsetzte, zersplitterte ein Hölzchen unter ihrem Huf. Das lächerlich
dünne Knacken schallte über die Felder, und die Stille verstärkte das Echo auf
kaum mehr als das Geräusch eines knallenden Champagnerkorkens. Unnötigerweise scheuchte
es trotzdem ein paar Vögel auf, so dass die Stute erschrak. Elise bockte und begann
zu steigen. Wie eine Anfängerin rutschte Nika aus dem Sattel und fiel in den
trockenen Graben, während ihr Pferd in Blitzgeschwindigkeit davonjagte.
    Nika blieb einfach im Laub liegen, bis der Sauerstoff
wieder durch ihre Lungen strömte, dann setzte sie sich auf. Kein Schwindel,
keine Übelkeit.
    „Elise!“
    Aber die gestresste Stute war schon nicht mehr zu
sehen. Vorsichtig versuchte Nika, sich aufzurichten. Als sie ihr rechtes Bein
belastete, verstärkte sich ein dumpfes Pochen in ihrem Knöchel zu einem
stechenden Schmerz.
    „Scheiße.“
    Das Auftreten war unangenehm, aber immerhin nicht
unmöglich. Nika brummte genervt und biss die Zähne zusammen.
     
    Nach der ersten Biegung des holperigen Feldwegs konnte
sie das Anwesen ihrer engelsblütigen Patentante schon sehen. Sie blieb kurz
stehen, um sich auszuruhen. Ihr Atem dampfte in der kalten Sonne, die den Nebel
mittlerweile aufgelöst hatte. Die Knickfalte ihres Stiefels drückte wie
verrückt gegen den Knöchel des verletzten Fußes.
    Teresas silberner Aston Martin parkte vor dem
Haupthaus, aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie in der Nähe war.
Genauso gut konnte an ihrem Strand in Thailand faulenzen oder im Regenwald von
Brasilien Blätter und Pflanzen für ihre Naturheilmittel sammeln. In diesem
Augenblick.
     
    Elise hatte den Weg natürlich in einer deutlich
kürzeren Zeit bewältigt als Nika. Sie stand vor dem Stall und blickte von einem
Wasserkübel hoch, als sie ihre Herrin heranhumpeln hörte.
    „Ich kümmere mich gleich um dich, okay?“ Nika
klingelte, aber im Haus regte sich nichts.
    Sie würde also zu der kleinen Kirche weitergehen
müssen, die inmitten eines Waldes aus knorrigen Magnolien im Zentrum des
Grundstücks stand. Julian hatte das Wohnhaus mitsamt Nebengebäuden nachträglich
drumherum bauen lassen, deshalb wirkte die Anordnung kurios, aber sie hatte
einen gewissen Charme. Julian hatte die Kapelle für ihre Mom gekauft. Sie
hatten eine Weile hier gelebt.
    Mittlerweile wurde das Laufen zu einer Strapaze,
obwohl Nika das schmerzende Bein nur noch ansatzweise belastete. Das Stechen gewann
trotzdem mit jeder Bewegung an Schärfe. Endlich angekommen, hüpfte Nika die
drei ausgetretenen Steinstufen mit der Eleganz eines Flusspferdes auf einem
Bein hinauf. Sie

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