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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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nickte. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, als er das Essen auf dem Tablett roch. Wall stellte den Teller, der wie angegossen in den größeren goldenen Teller paßte, vor ihm ab. Wall brachte das Tablett in die Speisekammer und kam sofort wieder mit einer Flasche Rotwein und einem Korkenzieher zurück.
    »Ich leiste Ihnen Gesellschaft, wenn ich darf. Wir können unsere Unterhaltung fortsetzen, bis Sie zu Bett gehen möchten. Morgen nachmittag muß ich weg und werde eine Zeitlang nicht hier sein. Wir könnten aber zusammen frühstücken, wenn Sie möchten.«
    »Bitte«, sagte Standish und war froh, daß er in dem Eßzimmer nicht allein gelassen wurde. Er kostete ein Stückchen Kalbslende, und eine so subtile und markante Vielfalt von Aromen entfaltete sich in seinem Mund, daß er laut aufstöhnte. Er hatte noch nie etwas so Köstliches gegessen. Der Korken kam mit einem vernehmlichen Plop aus der Flasche, Wall schenkte ihm dunkelroten Wein in das Goldrandglas ein. Standish schluckte, und das Essen betörte und kitzelte seinen Gaumen weiterhin.
    »Sie wissen natürlich, weshalb sie Kalbslende mit Morchelsoße bekommen, nicht?« fragte Wall, und nahm auf der anderen Seite des breiten weißen Tischs Platz.
    Standish schüttelte den Kopf. Er aß weiter, während Wall erzählte, und trank von dem Wein, der so außergewöhnlich war wie die Mahlzeit.
    »Isobel Standishs Lieblingsessen.« Wall lächelte ihm zu. »Als sie es in der Küche hörten, gab es kein Halten mehr für sie. Wir verwenden natürlich frische Pilze, und gutes Kalbfleisch gibt es im Ort. Schön, daß es Ihnen schmeckt.« Er machte eine Pause, seine unbeschwerte Miene verschwand. »Sie wußten also nichts über Huckstall, bevor Sie dort Rast machten? Ist sein Ruf nicht über den Atlantik gedrungen?«
    Standish schüttelte den Kopf. Ein Ring der Wärme im Mittelpunkt seines Wesens dehnte sich Millimeter um Millimeter aus und brachte jeder Zelle, die er berührte, Ruhe und Zufriedenheit.
    »Anfang des Sommers gab es dort ein wenig Ärger«, sagte Wall. »Ein Mann tötete seine Frau und ihren Liebhaber und wurde dann selbst getötet. Ein Schankwirt, wenn ich mich recht entsinne.«
    Standish sah das steinerne, reglose Gesicht des Inhabers von The Duellists deutlich vor sich; das wunderbare Essen gerann ihm auf der Zunge.
    »Nach amerikanischen Standards natürlich kein erwähnenswerter Skandal«, fuhr Wall fort. »Aber hier schlug er erhebliche Wellen. Die Frau war schwanger. Der Mann kettete beide im Keller des Pubs an und quälte sie mehrere Tage. Am Ende enthauptete er sie. Der Geliebte war recht prominent in der Gegend, Schulrektor, örtlicher Dichter, etwas in der Art. Ich möchte Ihnen nicht das Essen verderben, Mr. Standish.«
    »Nein, das ist faszinierend«, sagte Standish. »Es erinnert mich sehr an Leute, die ich dort sah.«
    Wall schaute amüsiert teilnahmsvoll drein.
    »In diesem Pub. The Duellists.«
    »Ah.« Wall lächelte nachsichtig. »Ich verstehe, was Sie meinen. Im Augenblick fällt mir der Namen des Pubs dieses Burschen nicht ein. Lord Sowieso, glaube ich. Kann aber nicht Ihr Pub gewesen sein.«
    »Warum nicht?«
    »Der Bursche brannte es nach den Morden nieder. Er war vollkommen kopflos. Entschuldigen Sie das Wortspiel, wenn es denn eines war. Wie auch immer, er steckte die Köpfe in irgendwelche Handtaschen und warf sie auf eine Schlackehalde. Dachte wahrscheinlich, niemand würde sie je finden. Oder es war ihm egal. Sein Leben war sowieso sinnlos, nicht? Er warf sich unmittelbar vor dem Dorf vor ein rasendes Auto. Möchten Sie noch etwas Wein?«
    Standish sah erstaunt, daß sein Glas leer war. Er hob die Flasche und schenkte nach. Wall schob sein Glas vor, und Standish stand auf und schenkte auch ihm nach.
    »Der Aufprall tötete ihn, aber die Leiche wurde erst am nächsten Morgen gefunden - alle waren damit beschäftigt, das Feuer zu löschen, verstehen Sie? Das Pub brannte wie Zunder. Es bestand die Gefahr, daß es auf die ganze Straße übergreifen könnte. Und als sie das Feuer gelöscht hatten, fanden sie natürlich die Leichen, die vom Feuer fast unversehrt geblieben waren. Sie befanden sich ja im Keller, nicht. Oh!« Er sah Standish mit blitzenden Augen an.
    »Ich hatte ganz vergessen - der Bursche, der Geliebte, war nicht der dortige Schulrektor. Das ist alles Teil des Skandals. Er hatte einmal eine wichtige Rolle gespielt - aber da nicht mehr. Der Bursche war der Bibliothekar gewesen, oder was in der Art, möglicherweise der

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