Esswood House
verwandelt hatte. Die außerordentlich komplexen Düfte und Gerüche, zu denen sich mittlerweile der ausgeprägte Vegetationsgeruch des Teichs gesellt hatte, hüllte Standish ein.
Ein riesengroßer Schmetterling mit dunklen, fast transparenten purpurnen Flügeln, Fragmenten einer Buntglasscheibe nicht unähnlich, flatterte in der stehenden Luft über dem Teich, und Standish stockte der Atem in der Brust, als er ihn so müßig elegant zickzackförmig in die Höhe steigen sah. Sein Winkel zum Licht veränderte sich, und das Purpur der samtigen Flügel schlug in eine dunkle, staubige Farblosigkeit um. Dann wurde Standish halb sehend, halb fühlend einer Bewegung im Haus gewahr, sah die hohen Terrassen hinauf und erblickte eine Gestalt am Fenster der Bibliothek. Der blasse Fleck eines Gesichts über verschwommenem Grün war vage hinter dem Glas zu erkennen. Seine Eingeweide zogen sich zusammen und verkrampften sich. Die Frau schien ihm etwas zuzurufen, er konnte ein schwarzes Loch sehen, das ihr Mund sein mußte, der auf und zu ging wie ein Ventil. Wieder hatte er das Gefühl, daß Wut wie eine Flamme in ihm aufloderte. Sie drückte die blassen Kleckse ihrer Fäuste an der Glasscheibe platt.
Standish setzte sich um den Teich herum zum Haus in Bewegung, während die Frau vom Fenster zurücktrat und verschwand. Jedesmal, wenn er einen Schritt machte, wirbelte roter Staub von den Steinen auf.
KAPITEL ACHT
Fünf Minuten vor acht Uhr betrat er das Eßzimmer linkisch und rückwärts durch die Tür des geheimen Korridors. Auf den Armen trug er zwei dicke Schnellhefter, im einen befanden sich die Entwürfe von Gedichten, im anderen die teilweise sortierten Seiten von Der Beginn der Poetin . Er hatte vor, beim Essen die Gedichte durchzusehen und nach dem Abendessen in den Springbrunnenzimmern den Kraftakt der Lektüre der Memoiren auf sich zu nehmen.
Als er sich in das Zimmer umdrehte, sah er seinen Platz am Tisch, der auf die inzwischen hinreichend bekannte Weise mit dem goldenen Besteck, den goldenen Hauben und dem Weinglas mit Goldrand eingedeckt war. Eine offene Flasche roter Bordeaux stand neben dem Glas. Zwei Kerzen in goldenen Haltern flackerten vor seinem Platz. Er fragte sich, ob er wieder dieselbe Mahlzeit bekommen würde, aber dann dachte er sich, daß man nur in einer Irrenanstalt oder einem Krankenhaus dreimal hintereinander dasselbe auf den Tisch bringen könnte.
Er legte die Schnellhefter auf den Tisch und setzte sich. Er legte die Hand auf den Knauf der Abdeckhaube. Er zögerte einen Augenblick; dann hob er die Haube und sah in Scheiben geschnittene Kalbslende mit sämiger, hellbrauner Soße und vielen Morcheln darin. »Also Augenblick mal«, sagte Standish bei sich. Er deckte das Essen wieder mit der Haube ab.
Jemand versuchte, ihn zu provozieren.
Er sah das Gesicht der wunderbaren Frau, die über die Schulter zu ihm aufschaute. Standish lächelte über seinen abwegigen Gedanken, sie könnte die alte Miss Seneschal sein, der ihm am Teich in den Sinn gekommen war. Er stand auf und ging in die Speisekammer. Unmißverständliches Lachen einer Frau tönte die dunkle Treppe, die zur Küche hinunterging, herauf.
»Was wollen Sie, mich mästen?« rief er.
Kichern drang aus der Küche zu ihm herauf.
Ein gleichmäßiges diffuses Licht, wie das weiche Licht in der Bibliothek, erhellte das enge Treppenhaus. Standish trottete eine Windung der Treppe hinunter, um einen Halbabsatz herum und wieder abwärts. Eine Luftblase berauschter Vorfreude stieg aus dem Mittelpunkt seines Lebens, tief, tief aus seinem Inneren, zu seiner Kehle empor.
»Sie müssen dieses Zeug wenigstens mit mir essen«, rief er aus und betrat die Küche.
Eine Reihe alter Spülbecken aus Gußeisen standen an einer grellweißen Wand, eine elektrische Spülmaschine und ein langer Tresen aus dunkelgrünem Marmor daneben. Weiße Hängeschränke beanspruchten die Wand. Auf der anderen Seite des Raums stand ein riesiger grauer Restaurantgasherd mit zwei Backöfen und einem Gitter mit einem halben Dutzend Gasbrennern. In der Mitte des Raums befand sich eine große Arbeitsplatte aus demselben grünen Marmor. Ein goldener Korkenzieher mit Griffen wie Schwingen lag auf dem Marmor. Wenn die Frau sich in dem Raum aufhielt, versteckte sie sich.
»He!« brüllte Standish. »Wo sind Sie? Wohin sind Sie gegangen?«
Er breitete lachend die Arme aus und drehte sich im Kreis. »Kommen Sie!«
Sie antwortete nicht.
Das Lachen blieb ihm im Halse stecken. »Los,
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