Esswood House
im Ostflügel sein, aber dennoch wirkte es menschenleer. Das Spiegelbild einer Wolke zog über eine Fensterreihe im dritten Stock dahin.
Am unteren Ende der Treppe ging er über den knirschenden Kies zur rechten Seite des Hauses.
Da war der Laubengang, an den er sich erinnerte. Große glatte, perfekt eingepaßte Pflastersteine verliefen unter dem Bogen, der dicht mit grünen Ranken und breiten dunklen Blättern bewachsen war. Auf halbem Weg am Haus entlang teilte sich der Laubengang um eine niedrige Holztür, die, wie Standish meinte, zu einer Küche oder Waschküche, oder was immer sie an einem Ort wie Esswood hatten, führen mußte. Am anderen Ende des Laubengangs gelangte er in helles, warmes Sonnenlicht und sah die Landschaft vor sich abfallen und stufenförmig in einer Reihe von drei breiten Terrassen zum langen, dunklen Teich am unteren Ende hinabführen. Dieser wurde an beiden Enden von den Hainen knorriger Bäume eingefaßt, unter denen die Frau in Grün hervorgekommen sein mußte. Eine steile, schwarz gestrichene Metalltreppe führte an den Seiten der Terrassen nach unten.
Er näherte sich der Metalltreppe. Weit entfernt erstreckte sich hinter dem langen Teich und einem kleinen Wäldchen ein weites, vom Streifenmuster einer Mähmaschine gezeichnetes Feld zu einer Reihe gerader, federartigen Bäume hinauf, die wiederum als Grenze eines weiteren, höheren Feldes fungierten. Weiße Schafe, Wattebäuschen gleich, standen so reglos da, daß sie aussahen, als wären sie gemalt. Am oberen Ende des weiter entfernten Felds drehten sich die skelettartigen Flügel einer bienenstockförmigen Windmühle langsam in einer sanften Brise.
Dieser Anblick kam Standish beinahe vor, als verströme er Friedfertigkeit: Ein unveränderliches Paradies konnte solche Felder, solche Teiche, solche Bäume und sogar die reglosen Schafe und die schläfrige Windmühle haben. Er überlegte sich, daß er zum erstenmal wirklich glücklich war seit ... wie lange? Monaten? Jahren? Sein ganzes Leben, seit der Kindheit, kam ihm jetzt wie der Zwischenfall in Huckstall vor, obskur und dissonant.
Die schwarze Farbe des Geländers blätterte ab und wies Pockennarben von Rost auf. Standish trat auf die erste Stufe, und die gesamte Konstruktion schepperte. Er hielt sich an dem rauhen Geländer fest und sah zum Haus zurück.
Von hinten sah das Gebäude noch massiver aus als von vorn, aber massiv wie ein Gefängnis oder ein altes Krankenhaus. Auf Esswoods Rückseite ging die rauhe Steinfassade des Erdgeschosses in einförmige Ziegelsteine über. Auf der Rückseite des Hauses waren die Fenster ausnahmslos kleiner als die der Vorderseite. Hier und da konnte man schwarze Balken, Relikte eines früheren Esswood, in dem Mauerwerk sehen. Heller Schimmel, einem grünlichen Nebel gleich, überzog Stellen des Gemäuers. Die einzigen Fenster ohne Vorhänge waren die der Bibliothek.
Standish ging die Metalltreppe hinunter.
Weiße Gartenstühle aus Gußeisen und ein klobiger Tisch aus Gußeisen standen auf der ersten Terrasse, die zweite bestand lediglich aus einer ebenmäßigen grünen Rasenfläche, die seltsam leer aussah, wie eine Bühne ohne Schauspieler.
Als er das untere Ende der Treppe erreichte, hatte seine Hand den schwachen, aber unverkennbaren orangeroten Farbton des Rosts angenommen. Hinter ihm sang die Treppe und vibrierte in ihrer Verankerung.
Über den Wipfeln der Bäume konnte Standish die federartigen Bäume und das Feld mit der verschlafenen Windmühle sehen. Ein schwerer Geruch wie von Butter hing in der Luft - ein fast sexuell erregender Geruch von Gras, Wasser und Sonnenlicht. Standish überlegte sich, daß dies ein vollkommener Augenblick war: daß er in einem einzigen perfekten Augenblick lebte, seit er am anderen Ende des zugewachsenen Laubengangs herausgekommen war. Er ging einen Weg roten Bruchsteins entlang, bückte sich und hielt die Hand in den Teich. Das Wasser berührte seine Haut mit einem kühlen, heftigen Schock, der seinen ganzen Körper erfrischte. Waren sie hier geschwommen, Isobel und Theodore Corn und die anderen? Er bewegte die Hand behutsam im Wasser und sah den orangeroten Rückstand fortschweben wie eine flauschige Wolke aus orangefarbenem Blut.
Er schüttelte die rechte Hand, stand auf und drehte sich zu dem Haus um. Von so weit hier unten sah es nicht mehr ganz so häßlich aus, mehr wie das Haus eines reichen Kaufmanns oder Grundbesitzers, das es gewesen war, bevor Edith es in eine Art von Künstlerkolonie
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