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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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rief Standish aus.
    »Dann müssen Sie nach Esswood zurückkehren, wo Sie angeblich logieren, denn sie sind niemals von da fortgegangen. Ich bin allerdings nicht sicher, ob Sie wirklich nach Gräbern suchen.«
    Jetzt zappelte der Vikar regelrecht. »Sie müssen sich den Weg erklären lassen, nicht? Ich habe gesehen, wie Sie hergefahren sind - ich habe Ihr Auto gesehen. Sie wußten ein wenig, ist es nicht so? Aber Sie sind nicht von dem Haus gekommen. Sie sind vom Dorf hierher gefahren. Jedes Wort von Ihnen war gelogen. Und wie haben sie im Dorf reagiert, als sie etwas sahen, das sie für ein Automobil von Esswood halten? Haben sie so reagiert, wie Sie es erwartet hatten?«
    Standish wollte erklären, daß er sich verfahren hatte, aber statt dessen fragte er den Vikar nach dem schnellsten Weg zum Anwesen.
    »Aha!« rief der Vikar aus. »Die Wahrheit! Der unwissende Gast, endlich kehrt die Wahrheit in unser Gespräch ein. Nach Esswood House fahren Sie schnurgerade den Weg zurück, von wo Sie gekommen sind, bis Sie den Hügel erreichen, dann biegen Sie rechts ab, nicht links, am Robert-Wall vorbei -«
    »Woran vorbei?«
    »Am Robert-Wall - das ist nur ein hiesiger Name, Sie müssen nicht so erschrecken, ich dachte nicht, daß sich ein Schmutzreporter so leicht erschrecken läßt, er wird nicht über Ihnen einstürzen, der alte Wall bildet schon seit vier Jahrhunderten die Grenze des Anwesens der Seneschals -«
    »Warum heißt er Robert-Wall?«
    »Vermutlich, weil er von einem Mann namens Robert erbaut wurde!«
    Standish ging an der Kirche vorbei. Er strich an dem Vikar vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Der Vikar trat auf ein Grab und lachte. »Sie möchten also ihr Geheimnis lüften, haben Sie das vor?«

KAPITEL ZWÖLF
    Zwei Tage später holte ihn am Spätnachmittag ein Satz in die reale Welt zurück.
    Ich habe meinen Landstreicher gefunden, meinen Zigeunergelehrten mit den kornblumenblauen Augen.

    Das konnte kein Kind sein - Isobel meinte einen erwachsenen Mann, vermutlich jemanden, den sie in Esswood getroffen hatte. Es kam als eine Überraschung, daß sich Isobel zu dem für die Zeit typischen Kitsch wie »kornblumenblaue Augen« herabließ, doch die junge Frau aus Massachusetts, ihr alter ego , hatte eine Seelenfreundin entdeckt, mit der sie lange Spaziergänge machen und über Literatur diskutieren konnte, daher schien ein sprachlicher Lapsus in einem Kapitel unveröffentlichter Memoiren verzeihlich. Ich habe meinen Landstreicher gefunden - Standish erinnerte sich an den derangierten Wahnsinnigen, der am Ortsrand von Huckstall wie aus dem Nichts neben dem Escort aufgetaucht war, erschauerte und las weiter. Der Landstreicher zeigte zu den fernen Hügeln und den träge kreisenden Flügeln der Windmühle, er verglich die Wolken oben und die Felder unten mit den Komödien von Shakespeare, sie seien gewaltig, britisch und formal perfekt. Formal perfekt, grollte Standish, der Kerl ist ein Schwätzer, hielt er Wie’s euch gefällt tatsächlich für formal perfekt? Abgesehen von diesem einen unangemessenen Ausrutscher notierte Isobel lediglich ihre eigenen Reaktionen auf die Bemerkungen des Mannes, nicht die Bemerkungen selbst. Er war ein ungeschultes Genie ohne Frau und Kinder, eine einsame Gestalt in der Welt. Unten auf der Seite hatte Isobel geschrieben: Thema für eine andere Geschichte. Prompt verschwand der »Landstreicher« aus dem Manuskript.
    Standish las den Rest des Tages, die Bibliothek um ihn herum wurde ausgeblendet, und er schlenderte Hand in Hand mit Isobel durch das Land. Die Details ihrer Tage variierten kaum, aber Standish fand die Übereinstimmungen mit seinen eigenen Tagesabläufen höchst erfreulich. In Isobels Schilderungen ihres Schreibens, der Mahlzeiten, der Spaziergänge im Haus und auf dem Anwesen kam ein unausgesprochener Zweck zum Ausdruck, eine Verwandlung, die gerade außer Sichtweite wartete. Was immer die junge Frau ansah, brannte sich in ihre Vision ein. Der lange Teich simmerte , das ferne Feld war eine an die Sonne genagelte grüne Haut . Die Bibliothek war ein Ofen, ein Vulkan , Poesie war Lava . Jede Oberfläche schimmerte und glänzte , alles erbebte unter dem Druck der zugrundeliegenden Kraft.
    Bis kurz vor acht Uhr stand Standish im Bann von Isobels Memoiren und las nicht, sondern wurde regelrecht gelesen.
    Als er aufschaute und feststellte, daß die Zeit für das Abendessen fast herangerückt war, schien die Bibliothek die Verwandlung, deren Versprechen er in der

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