Esswood House
Sprache der Memoiren gesehen zu haben glaubte, schon hinter sich zu haben. Der Nacken tat ihm weh und sein Magen knurrte. Aber für einen Augenblick bemerkte Standish eine gewaltige Glorie, dem Schlag eines riesigen Flügelpaars gleich, in der Atmosphäre um sich herum. Die Bibliothek schien gewissermaßen von einer Abwesenheit aufgeladen zu sein, die man jedoch nicht wie zuvor auf einen unvermittelten unsichtbaren Rückzug zurückführen konnte, vielmehr handelte es sich um die erwartungsvolle, bebende Abwesenheit unmittelbar vor Erscheinen eines strahlenden und notwendigen Wesens.
Diesmal schlug Standish den längeren Weg zum Eßzimmer ein. Er schritt fast feierlich zu seinem Stuhl und hob die Haube von der Kalbslende in ihrer Soße. Neben dem Goldrandglas auf dem Tischtuch stand, von Staubschlieren überzogen, eine Flasche Chateau Lafite-Rothschild 1862.
Nach dem Essen ging er die Haupttreppe ins Obergeschoß hinauf. Das Geräusch von abwesendem Gelächter, von Gelächter, das gerade eben verstummt war, schwang in dem kleinen Arbeitszimmer nach; ebenso der Geruch von Malzwhisky von dem Glas, das er zwei Nächte zuvor verschüttet hatte, und dem, das er vor sich hertrug und zur gegenüberliegenden Tür des Arbeitszimmers hielt, als wäre es ein Schlüssel. Er machte die Tür zur inneren Galerie auf. Er glaubte, daß er einen kleinen, behenden Körper hören konnte, der hinter ihm außer Sichtweite huschte - in die Schatten hinter einem Stuhl zurückwich. Ein Schnellhefter voller Seiten ruhte so bequem wie ein kleiner Hund zwischen seinem Ellbogen und den Rippen.
Er war nicht betrunken. Keineswegs. Er ging auf einer geraden Linie zwischen den großen Fenstern und den wuchtigen Gemälden die Galerie entlang. Auf seiner rechten Seite grasten englische Pferde auf einer englischen Wiese; auf seiner linken leuchteten die Fenster der Seneschals in einem fahlen Gelb, und in ihrem Schlafzimmer lagen die beiden verbliebenen Seneschals, Er schuf sie als Mann und Weib, jeder für sich in ihren Betten oder umschlungen in einem Bett. Standish hörte Geräusche vom Innenhof, ging näher zum Fenster und sah nach unten. Ein funkelnder Regen aus Diamanten, Lava, goldenem Blut schoß empor und zerstob, bevor er wieder zur Erde fiel. Diese Eruption löste sich zu einem Springbrunnen auf, der von Lampen im Kies um seinen Sockel herum angestrahlt wurde.
Irgendwo hinter ihm ertönten hastige, leise Schritte.
Esswood nahm ihn auf, akzeptierte ihn, benutzte ihn, wie es Isobel benutzt und akzeptiert hatte.
Er legte den Schnellhefter auf das Bett, das gewendet worden war, zog sich aus und ging ins Bad. Ein rot angelaufener, leuchtender Dämon sah ihn aus dem Spiegel heraus an, ein stattlicher Dämon voller Blut, ein Dämon aus Licht und Blut. Standish putzte sich die Zähne und konnte den Blick nicht von den lodernden Augen des Dämons im Spiegel abwenden. Schaum bildete lustige Bläschen zwischen seinen Lippen. Wenn er rot wäre ...? Er spülte sich den Mund mit kaltem Wasser aus, spuckte in das Becken, betrachtete noch einmal seine Augen und spritzte sich dann kaltes Wasser ins Gesicht.
Sein Penis ragte im Spiegel vor ihm auf, steif wie ein Lineal und leicht nach oben gekrümmt. Ein durchscheinender weißer Tropfen quoll aus der Spitze.
Standish masturbierte über dem hübschen, blaugemusterten Waschbecken und dabei phantasierte er, daß er in der kühlen Nachtluft in dem Wäldchen der knorrigen, gestikulierenden Bäume stand. Eine bestimmte Frau stand, vom silbernen Mondlicht umflort, am Rand des langen Teichs, so daß ihr nackter Körper eine üppig geschwungene Scheibe aus schwärzestem Schwarz war. Er konnte zertretene Blätter, kleine gedrechselte Wurzeln und rundliche Kieselsteine unter seinen Füßen spüren. Kühle Luft ließ die Haut seiner Schultern und Arme prickeln. Die priesterliche Gestalt am Teich trat nach vorn, und ihre Augen, auf die das Mondlicht fiel, leuchteten weiß in der Schwärze ihres Gesichts und ihres offenen Haars. Standish keuchte, denn er war tatsächlich in der kühlen, zarten Nacht am Teich, nicht im Bad der Springbrunnenzimmer. Was er fühlte - die Kälte, das Laub unter seinen Füßen - war das, was er tatsächlich fühlte, keine Phantasie, und die geliebte Frau, die mit den leuchtenden Augen und dem Schattenriß ihres Körpers halb wie ein Tiger wirkte, trat abermals vor. Sein ganzer Körper gab eine nachdrückliche Zustimmung von sich, eine Million Nerven schlugen eine Tür zu und rissen eine
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