Esther Friesner
pelzige Gespenst, das Torse da vor sich hielt.
»Scandal!«
»Hallo«, sagte der Kater. »Ich bin auf die Füße gefallen.«
KAPITEL 28
Der Drache erhob sich aus dem Flammenmeer. Sein mächtiger Schädel schwankte mal hierher, mal dorthin, hielt Ausschau nach seinem Feind. Riesige Kieferladen klafften weit offen, während sich grünes Feuer aus seinem Maul hervorwälzte. Blutfarbener Rauch schoß dampfend aus den Nüstern.
Der Ritter trug eine goldene Rüstung und ein schimmerndes grünes Schwert. Mutig stapfte er durch das feurige Meer, um das Ungeheuer herauszufordern. Das Drachenmaul öffnete sich in stummen Gebrüll.
Ein Flammenstoß schnellte hervor, dem Ritter entgegen, doch der goldene Panzer des Kriegers widerstand ihm mühelos. Der Ritter sprang vor, gefolgt von einer kleinen Funkenspur, und schwang das Schwert. Das Haupt des Drachen fiel ab, am Hals durchtrennt, und stürzte unter gewaltigem Aufschäumen des roten Feuers ins Meer.
»Toll!« sagte der König und klatschte in die Hände. »Mach noch eins.«
»Ja, Euer Majestät«, sagte ich matt und fuhr mit den Händen über die verzauberte Sauciere. Die winzigen, flammenden Bilder des siegreichen Ritters und des erlegten Drachen versanken unter der Oberfläche des Miniaturmeers aus Magik, dem sie entsprungen waren.
»Ich werde es versuchen.«
»Was mein edler und furchtgebietender Gebieter meint«, warf Mysti hastig ein, »ist, daß er versuchen wird, Euer Majestät nicht zu enttäuschen.«
»Oh, Meister Kendar würde mich doch niemals enttäusehen«, antwortete König Steffan aufrichtig.
»Niemals«, sagte Scandal, der zusammengekringelt im Schoß des Königs lag, »ist, wie man so schön sagt, verdammt lange.«
König Steffan lächelte und kraulte die Katze. »Was für eine kluge Kreatur das doch ist. Ich möchte wetten, daß es keinen anderen König auf ganz Orbix gibt, der ein solch wunderbares Tier sein eigen nennt.«
»Ja, wir Fabelungeheuer sind nicht gerade billig«, erklärte Scandal ihm. »Hinter den Ohren, Euer Königschaft, hinter den Ohren kraulen.«
Der König gehorchte und säuselte den Kater an wie eine verblödete Turteltaube.
Die königliche Kutsche fuhr über die königliche Schnellstraße mit Ziel Gut Uxwutsch. Dank der Geschwindigkeit der Einhörner und des Befehls Seiner Majestät, den ganzen Weg vor uns freizumachen, würden wir in weniger als zwei Tagen dort eintreffen. Einhörner haben dieselbe Reichweite wie Pferde, sind dafür aber doppelt so schnell. Glücklicherweise hängt ihre Geschwindigkeit nicht von ihrer Farbe ab, denn jedes Einhorn, das auch nur in Witterungsweite Mystis geriet, nahm sofort eine fahle Pastelltönung an. Eins der armen Tiere entwickelte sogar eine richtige Rose auf der Hornspitze.
Unterwegs machten wir an verschiedenen Posthäusern halt, um die Einhörner zu wechseln. Als Oberster Königlicher Einhornwärter war Onkel Corbly zugleich unser Oberkutscher. Ich konnte ihn jedesmal aufstöhnen hören, sobald er ein frisches Gespann königlicher weißer Einhörner angeschirrt hatte und Mystis unheimlicher Welfie-Einfluß sie vor seinen Augen in sämtlichen Schattierungen des Regenbogens einfärbte. Es brach mir das Herz, ihm zuzuhören.
»Aber ich tue es doch nicht mit Absicht!« protestierte Mysti. »Als man mir die Flügel abgerissen hat, dachte ich, ich hätte das Welfie-Dasein hinter mir.«
»Du weißt doch, was man sagt«, warf Basehart ein. »Einmal eine Welfie sein, heißt, immer Einhörner komisch einfärben.«
»Nanana, meine Liebe«, sagte der König und beugte sich vor, um ihre Hand zu tätscheln. »Niemand macht dir Vorwürfe.« »Es macht Euch gar nichts aus?«
»Och, ich vermute, wenn Schnassel mir Ende des Monats die Rechnung für die vielen neuen weißen Einhörner zeigt, die als Ersatz für jene angeschafft werden mußten, die du verdorben hast, wird mir das sogar furchtbar viel ausmachen. Aber bis dahin bin ich viel zu glücklich über dieses entzückende Tier, um mich darum zu kümmern.« Er kitzelte Scandal unter dem Kinn und strahlte wie ein Kind, als der Kater losschnurrte. »Welch ein Fund! Welch ein Schatz!
Was ist schon der Verlust von hundert gewöhnlichen Einhörnern gegen den Zugewinn einer einzigen Katze?«
»Soll das heißen, daß ich auch Sardinen bekomme, ohne immer betteln zu müssen?« fragte Scandal.
»Das soll heißen, daß du alles bekommen sollst, was dein Herz begehrt«, erwiderte der König.
»Abgemacht«, sagte Scandal und legte sich wieder
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