Esther Friesner
er plötzlich wissen.
»Wie? Die ganze?«
»Nur der Teil mit den Dingen, die du gerade erwähnt hast.«
»Oh. Ährnmm«, Mysti biß sich auf die Lippe. »Du würdest sie sowieso nicht verstehen. Sie ist auf welfisch.«
»Dann übersetz sie doch.«
Mysti atmete tief durch, dann fing sie an: »Es war einmal ein Zauberer namens Nantukit …« Ich mußte sie einfach bewundern. Als sie endlich fertig war, hatte sie es sogar fertiggebracht, den Teil mit den Beefsteaks einzubauen.
Und nun waren wir hier, komplett mit Beefsteaks, und rasten über die Schnellstraße nach Hause. Wir vertrieben uns die Zeit damit, daß ich alle möglichen Feuerwerksszenen in der Sauciere vorführte. Das war ziemlich ermüdend, und langsam fielen mir keine neuen Szenen mehr ein. In jeder mußte ein Drache vorkommen, sonst schmollte der König. Es gibt aber nur eine beschränkte Anzahl von Möglichkeiten, Drachen in Geschichten einzusetzen, bevor sich das Ganze wiederholt.
»Nun, Meister Kendar?« fragte der König und blickte in die glühenden Tiefen der Sauciere. »Willst du etwa keine weitere machen?«
Ich war müde. Ich war es so müde, Drachen in einer Sauciere heraufzubeschwören, daß ich es dem König sogar offen ins Gesicht sagte. »Und ich werde auch keine weiteren machen«, sagte ich entschieden.
Ich spürte, wie Mysti sich neben mir vor Entsetzen versteifte. Sie war zwar kein Mensch - jedenfalls nicht, solange sie immer noch weiße Einhörner umfärben konnte -, trotzdem wußte sie, daß man Königen nichts abschlägt. Vorausgesetzt, man möchte nicht unbedingt den Versuch unternehmen, aus dem oberen, abgeschnittenen Teil des eigenen Halses zu atmen. »Was mein edler Gebieter Meister Kendar meint, Euer Majestät, ist, daß er es müde ist, seine eigene unwürdige Einbildungskraft dazu zu benutzen, diese Geschichten zu erfinden. Es ist seine allersehnlichste Hoffnung, daß Euer Majestät die nächste Szene vorschlagen mögen.«
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte ich.
»Ach, herrlich!« Könige überhören jeden Sarkasmus.
Könige hören überhaupt nur, was sie hören wollen. »Wie gütig von dir, Meister Kendar! Ich wünschte, ich hätte deine Großzügigkeit auch in meinem Brief an den Rat der Zauberer erwähnt.« Er erhob sich von seinem Sitz, um einen der Decken schränke zu öffnen, Wedwel allein wußte, warum.
Ich spürte, wie mein ganzes Blut plötzlich einen Hechtsprung aus dem Gesicht in die Füße machte. Ich muß ganz schrecklich ausgesehen haben, weil Mysti mir zuflüsterte: »Kendar! Ist alles in Ordnung?«
»Nicht mehr lange«, flüsterte ich zurück. Der König war zu sehr damit beschäftigt, den Schrank zu durchwühlen, um es zu hören. »Er hat meinetwegen an den Rat geschrieben! Sobald der ihm antwortet, wird er erfahren, daß ich gar nicht wirklich der große und mächtige Meister Kendar bin.
Ich habe nie meinen Zauberstab bekommen, ich habe nie meinen Spitzhut bekommen, ich trage ja noch nicht einmal eine echte Zaubererkutte!«
»Na und? Bis deren Anwortschreiben ihn erreicht hat, ist Mutter Krötenhauch begnadigt, und wir sind über alle Berge.«
Ich konnte nicht fassen, wie wenig sie über den Rat wußte. »Elf der geschicktesten Zauberer des ganzen Königreichs, und du glaubst, die schicken ihm einen Brief?«
Bevor Mysti entweder: Mach dir keine Sorgen oder: Wir sind tote Leute sagen konnte, war der König auch schon auf seinen Sitzplatz zurückgekehrt, im Schoß einen Stapel Bücher.
»Hier, Meister Kendar«, sagte er und reichte mir das oberste Exemplar. »Ich bin sicher, daß du hierin jede Menge Inspiration finden wirst.«
»So sündig war mein Lustmolch«, las ich. Meine Kehle schnürte sich zusammen. »Von Raptura Eglantine.« Ja, auf dem Deckel war Curios unverwechselbares Gesicht zu sehen. Er sah ganz gut aus in seinem Feigenblatt. Ich gewährte König Steffan ein kränkliches Lächeln.
»Soll ich etwa das ganze Buch machen?«
»Du liebe Güte, nicht doch!« Der König nahm sein geliebtes Buch wieder an sich. »Ich wollte dir nur zeigen, wie der Held aussehen soll.
Ich kann dir die besten Szenen erzählen, die du machen sollst. Ich kenne alle ihre Bücher auswendig.« Und um es gleich zu beweisen, fing er an zu rezitieren: >»Amberthral lehnte sich in der zerwühlten Pracht ihrer roten Seidenbettwäsche zurück, in Wogen vergoldeter Herrlichkeit floß ihr rotbraunes Haar über das sahnige Wunder ihrer stolzen Brüste. Sie griff nach dem goldenen Spiegel mit dem
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