Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Esther Friesner

Titel: Esther Friesner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
Vom Netzwerk:
und steckte den Kopf unter das Bett. »Es müßte doch freigesetzt worden sein, als er starb. Wo ist es bloß?«

    »Ähem«, murmelte der unsichtbare Dämon und stupste mein Bein ein zweitesmal an. »Meinst du, du hast Verwendung hierfür?« Eine vertraute, kräftige Holzgestalt fiel mir in die Hände. »Damit wir uns auf den Weg machen können, ohne uns von deinem Kumpel da dabei aufhalten zu lassen.« Die grünen Flammen schienen sich in Zoltans Richtung zu verengen.
    Ich kroch so leise, wie ich nur konnte, aus dem Kleiderschrank und tippte Zoltan mit einem Ende meines Rattenklopperstocks auf die Schulter. Ich wünschte, es wäre hell genug gewesen, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, als er aufblickte und ich ihn mit dem anderen Ende am Kinn traf. Seine Augen verdrehten sich, und er kippte um, doch war ich bereits an der Tür, bevor er am Boden aufschlug.
    Ich hörte, wie der Dämon mir zurief, ich solle warten. Darauf warten, daß ein Dämon mich einholte? Soweit kam es noch! Ich rannte weiter - vier volle Treppenfluchten hinunter, drei Wendeltreppen, stürzte über Truhen und stolperte über Fußschemel, glitt auf Läufern aus und verhedderte mich mit dem Fuß in schweren Teppichen, stampfte auf weiche, wabbelige Dinger, die ich lieber nicht beim Namen nennen mochte, und schlug mir die Schienbeine an harten, scharfkantigen Dingern auf, die ich mit sämtlichen Namen bedachte, die mir dazu einfielen. Ich hörte erst auf, als ich den Palast hinter mich gebracht hatte, über die Zugbrücke gerast war, über den Graben voller hungriger Schleimwürmer, und tief ins umgebende Gelände hinein.
    Wie alle Zauberer liebte auch Meister Thengor seine Ellenbogenfreiheit. Nicht nur, daß er jede Menge Platz für sein wirklich recht großes Gelände brauchte, um seine ständig wachsende Familienschar zu beherbergen, dazu die Studenten und die Dienerschaft - er brauchte auch genügend Umland, damit er jede Menge Zeit hatte, alle nahenden Feinde, Spione, Gläubiger oder Vertreter früh genug auszumachen und die entsprechenden Vorbereitungen für ihren Empfang zu treffen. Der Graben voller Schleimwürmer war ja nur ein Teil des Ganzen.
    Ein derart großes Heim kann man nicht in der Stadt errichten, und so hatte Meister Thengor seine bescheidene Bleibe weitab von dem Lärm und Gestank und Durcheinander und den Handelsvertretern der Hauptstadt errichtet. Wenn König Steffan der Dienste seines Oberhexers bedurfte, pflegte er Boten zu schicken, die den Meister Thengor nach Gladderadatsch brachten. (Die Schleimwürmer machten ihnen keine Angst; schließlich arbeiteten sie für die Regierung.) Manchmal wollte Meister Thengor aber nicht in die Hauptstadt verbracht werden. Dann pflegte er im Labyrinth unterzutauchen.
    Und genau dort endete ich auch. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe - ich wußte zwar, daß ich irgendwie entkommen mußte; ich wußte auch, daß ich nicht wollte, daß mich jemand aufspüren konnte; ich wußte, daß ich Zeit brauchte, um allein zu sein und darüber nachzudenken, was der Grünfeuerdämon mir gezeigt hatte - aber ich bin mir ziemlich sicher, daß ich noch nicht sterben wollte.
    Meister Thengors Labyrinth war in ganz Orbix berühmt.
    Jedes Jahr zu Elfenzwickabend pflegte er es für die Öffentlichkeit freizugeben. Und jedes Jahr am Elfenzwicktag machte er dann ein wahres Vermögen mit Finderlohn, der von all den Freunden und Verwandten jener Leute abgedrückt wurde, die am Abend zuvor das Labyrinth betreten und nicht wieder hinausgefunden hatten.
    Im Labyrinth war ich in Sicherheit. Wenn Zoltan gleich aufwachte und nach mir suchte, würde er nie auf den Gedanken kommen, ausgerechnet hier nach mir Ausschau zu halten. Hätte ich mich statt dessen für die Straße nach Gladderadatsch entschieden, Zoltan hätte mich mühelos von einem der Beobachtungstürme des Meisters Thengor ausmachen können, und dann - zzzzit! Rattenklopper-Frikassee. Wenn ich mich nur lange genug im Labyrinth versteckt hielt, würde er glauben, daß ich irgendeine Möglichkeit gefunden hätte, mich Meister Thengors Magik zu bedienen, um weit davonzufliegen oder mich unsichtbar zu machen oder ungesehen einen Tunnel durchs Erdreich zu bohren und zu fliehen. Dann würde er die Suche aufgeben und ich könnte wieder herauskommen. Derweilen brauchte ich auch nicht zu verhungern: In seiner Güte hatte Meister Thengor sein Labyrinth mit Frohbeerensträuchern bepflanzt.
    So sah also mein Plan aus, und ich war mächtig stolz

Weitere Kostenlose Bücher