Esther Friesner
durch die Magikwolke verfolgt hatte.
Das Biest zwinkerte mich mit den grünen glühenden Augen des Dämons selbst an.
Meine Hände griffen wie wild nach dem Rattenklopperstock, doch die Ratte wedelte mit ihrem seltsamen, gestreiften Schwanz und sagte:
»Nanana! Behandelt man etwa so jemanden, der einem gerade das Leben gerettet hat?«
»Du … ?« Ich gab die Frage lieber auf. Leugnen war zwecklos: Ich erkannte die Stimme sofort, und wer hätte jemals diese bedrohlichen grünen Augen vergessen können? Ja, er hatte mich vor Zoltan gerettet, doch inwieweit durfte ich auf den guten Willen eines Dämons vertrauen?
Ich war ihm ausgeliefert. Ich besaß zwar genug Magik, um die Habgier sämtlicher Zauberer von Orbix auf mich zu ziehen, aber wenn ich sie nicht zu verwenden wußte, wie sollte ich dann darauf hoffen, mich vor diesem Unwesen in Rattengestalt zu retten?
Das konnte ich nicht, und das wußte ich auch. Und so senkte ich den Kopf. »Was wünschst du von mir, o Mächtiger?«
Der Dämon sprang mit einem kleinen Satz vom Schädel herunter und kam auf mich zu. Ich machte mich auf das Schlimmste gefaßt.
Die Kreatur stieß ein fremdartiges, grollendes Geräusch aus, das ihren ganzen schwarzbraunweißen Körper zum Schwingen brachte. Er rieb sich den Kopf an meiner Hand, sah mir in die Augen und meinte:
»Frühstück wäre ganz nett.«
»Also gut.« Ein Gangle weiß, wann er kapitulieren muß.
(Das war das Familienmotto, das Großpapa Urien Wasserrechte Gangle unmittelbar nach der Schlacht von Skivis Sumpf annahm.) Also krempelte ich einen Kittelärmel hoch und streckte meinen linken Arm aus. Ich wandte das Gesicht ab und versuchte tapfer zu klingen, als ich fragte: »Genügt das für den Anfang, o Mächtiger, oder ziehst du vielleicht dunkles Fleisch vor?«
Und kurz darauf fügte ich hinzu: »Aua!« und fuhr mir mit einer schlimm zerbissenen Hand an den Mund. »Wofür war das denn?«
»Dafür, daß du ein Blödmann bist und es fertigbringst zu glauben, daß ich so ein ausgemergeltes Früchtchen wie dich auffressen könnte«, sagte der Dämon. Er hatte die spitzen Ohren flach an den Schädel mit dem seidigen Fell angelegt.
»Und dafür, daß ich ein noch größerer Blödmann bin und dich vor Merlin dem Garkoch da drüben gerettet habe. Was ist das überhaupt für ein Steinhaufen? Ein Einkaufszentrum?«
Ich hatte keine Ahnung, wovon der Dämon da redete, befürchtete aber, daß er mich wieder beißen könnte, sollte ich etwas Dummes von mir geben. Nein, danke; einmal genügte mir vollauf, vor allem, nachdem er gesagt hatte, daß er mich gar nicht auffressen wollte. Da wäre es doch unklug gewesen, ihm noch ein paar Probehappen vorzusetzen, bis er es sich vielleicht anders überlegte. Ich überprüfte den Schaden, den der Unhold an meiner Hand angerichtet hatte: vier winzige Löcher, kaum größer als Nadelstiche, im Hautlappen zwischen Daumen und Zeigefinger, aus denen Blut hervorquoll.
»Ich sollte dankbar sein«, murmelte ich.
»Daß ich deine Haut gerettet habe?« Die Schnurrbarthaare der Kreatur kringelten sich zu einem selbstzufriedenen Grinsen. »Ja, das möchte ich meinen.«
»Ich sollte dankbar dafür sein, daß deine Zähne nicht so sind wie die einer gewöhnlichen Ratte, o Mächtiger. Ein derart kräftiger Biß von einer solchen hätte mir die Hand viel weiter aufgerissen.«
»Ratte?« wiederholte der Unhold, versteifte die Beine, und der Pelz auf seinem Rücken stellte sich auf. »Ratte?«
‘«’ Sein Schweif wurde plötzlich struppig, und ich hätte schwören können, daß aus seinen grünen Augen gelbe Funken , hervorstoben.
»Hast du mich gerade eine Ratte genannt?«
»Äh …« Mehr bekam ich nicht mehr heraus, als mir auch schon eine Kugel aus zischendem, spuckendem, kratzendem Zorn entgegenschoß.
Ich warf die Arme über Kreuz vor die Augen und versuchte, mich seitlich abzurollen, aber mein Kittel verfing sich im Frohbeerengestrüpp.
» … den Tag noch mal erleben, meiner Mutter Kind sich ungestraft eine Ratte nennen läßt …!« fluchte der Dämon, als er durch die Luft auf mich zuschnellte.
Ich machte mich auf den Aufprall der Krallen und Zähne gefaßt.
ZVIT!
»Aua!« jaulte plötzlich jemand. Zur Abwechslung war es nicht ich.
»Aua, aua, aua, mein Schwanz, mein Schwanz, mein Schwanz brennt, Hilfe, Hilfe, hilf mir, hilf mir, lösch ihn, bespritz ihn mit Wasser, spuck drauf, tu doch was!«
Ich senkte die gekreuzten Arme und sah, wie der Unhold verzweifelt im Kreis
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