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Esther Friesner

Titel: Esther Friesner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
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Sonnen schon lange aufgegangen waren, deshalb gab es keinerlei Möglichkeit, nicht zu sehen, wie er aussah. Der muskulöse Schatten der Vornacht wirkte bei Tageslicht noch viel muskulöser. Grym besaß Muskeln an Stellen, wo ich sie nicht für möglich gehalten hätte. Selbst seine Nase sah so aus, als könnte sie im Kampf durchaus allein ihren Mann stehen. Er hatte einen Körper, auf den er stolz sein konnte, und so machte er sich auch nicht die Mühe, ihn in übertriebener Bescheidenheit zu verhüllen.
    Alles was er trug, war ein lederner Lendenschurz, einen breiten, mit Silbernieten beschlagenen Gürtel, einen Reisesack und Sandalen. Und wenn seine Garderobe nicht ausgereicht hätte, um jedem, dem er begegnete, das Wort BARBAR ins Gesicht zu schreien, hätte seine Sprache schon den Rest erledigt.
    »Töten, metzeln - metzeln, vielleicht auch auszuweiden.
    Ja, daselbst liegt wohl der Spaß! Denn wenn wir diesem Zaubrer dort ein paar strategische Teile vom Leibe hauen, versichern wir uns nicht dadurch, daß er uns nimmermehr entkömmt?«
    »Keine Bewegung!« zischte mir eine wohlvertraute Stimme ins Ohr.
    Ich spannte mich an. »Ich sagte keine Bewegung! Herrje, willst du erst noch eine über die Rübe kriegen, bis du endlich auf mich hörst?«
    »Scandal?« brachte ich so leise hervor, wie ich nur konnte.
    »Keine Bewegung schließt die Zunge mit ein. Du tauber Schädel.«
    »Ich wünschte nur, er wäre tatsächlich taub.« Ich warf noch einen verstohlenen Seitenblick auf Grym den Großen.
    Der war immer noch damit beschäftigt, den Schädel zu befragen, ob er mich nun umbringen solle oder nicht. Es ist unhöflich, sich in anderer Leute Gespräch einzumischen.
    »Was ist passiert?«
    »Du hast einen auf die Nuß gekriegt, was denn wohl sonst?«
    »Ich meine, was ist mit meiner Magik passiert? Warum hat sie mich nicht beschützt? Warum hat sie es zugelassen, daß er … ?«
    Ich japste auf. Dieses schäumende Gefühl war zurückgekehrt. Genau wie Grym. Diesmal fuhr seine Klinge scheppernd dicht vor meinen Augen in den Boden und verfehlte nur um ein Haar meine Nasenwurzel.
    »Lebest du wohl noch, o Zauberer?« fragte er. Er ergänzte seine freundliche Erkundigung dadurch, daß er mir den sandalenbewehrten Fuß in die Rippen stieß. Hastig fuhr ich auf, auch wenn das bedeutete, daß die eine Hälfte meines Schädels prompt davonrannte, um die Monde anzuheulen.
    »Ich lebest«, erwiderte ich.
    »Dann spute dich und stell dich auf, o Weiser, auf daß der Worte wir nun wechseln mögen!«
    Ich versuchte aufzustehen, aber meine Beine verweigerten mir die Hilfe. Genau wie Grym. Ich schaffte es auf Hände und Knie, während der Schwertkämpfer über mir stand und mich mit geringschätziger Miene musterte, beide Hände auf den Knauf seiner mächtigen Klinge gestützt.

    »Erhebe dich, verweichlicht’ Abschaum du der Stadt!« brüllte er.
    »Nicht ungestraft stellst auf die Probe du den Langmut Gryms.«
    »Was ist denn nur aus >O Zauberer, o Weiser< geworden?« knurrte ich. Mein Kopf tat noch schlimmer weh als zuvor, und die Luftblasen in meinem Bauch waren auch keine große Hilfe. Irgendwann erreicht man einen Punkt, da der Schmerz so schlimm wird, daß einem der Tod noch als eines der geringeren Übel erscheint. Dies war ein solcher Punkt in meinem Leben. Grym wollte, daß ich aufstand. Ich brauchte jemanden, der mir dabei half, und das wollte er mir verweigern?
    Schön, dann würde ich mir eben selbst helfen. Sollte er mich doch umbringen, wenn ihm nicht gefiel, was ich nun tun würde.
    Ich packte den Handschutz seines Breitschwerts und zog mich daran hoch. Ich rechnete damit, daß Grym gleich knurren und das Schwert fortreißen würde, um mich von Kopf bis Fuß aufzuschlitzen oder mir wenigstens einen zweiten Hieb zu verpassen. Vielleicht hätte ich ja diesmal Glück, und er würde mich damit umbringen.
    Doch das Glück war mir nicht hold. Kaum hatten sich meine Hände um Gryms Schwert geschlossen, als das unbestimmte Wühlen in meinen Eingeweiden zum reinsten Wasserspeierausbruch wurde. Ich stieß einen Schrei aus, halb Schmerz, halb Jauchzen. Meine Beine zitterten, aber nicht vor Schwäche. Im Gegenteil: Kaum hatte ich die Hände auf dieses Schwert gelegt, als ich auch schon zu neuem Leben erwachte: erfrischt und bereit, Bäume auszureißen. Ich hörte Grym schreien - komisch, so etwas erwartet man von Barbaren gar nicht - und sah, wie das Schwert zwischen uns von goldenen Flammen bedeckt wurde. Er ließ es fallen, ich

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