Esther Friesner
Scandal und mir fort, bis er schließlich mit dem Rücken an einer Eiche stand und nicht mehr zurückweichen konnte.
Ihr höhnisches Gelächter hörte sich an, als würde jemand auf einem Sack voller Grashüpfer herumtrampeln.
»Scandal, was soll ich tun?« flüsterte ich. »Sie werden ihn umbringen!«
»Darauf hoffen, daß sie danach nicht auch noch sein Schwert schlucken, das solltest du tun«, erwiderte der Kater. »Sonst kriegst du deine daran haftende Magik nie zurück.«
»Die Magik ist mir egal!« rief ich. »Wir sprechen hier über ein Menschenleben.«
»Über das Leben eines Menschen, der dir eins übergebraten hat.« Der Kater sah mich an, seine Augen brannten golden.
»Darf ich daraus schließen, daß du nicht besonders nachtragend bist?«
Komisch, aber ich konnte nicht antworten. Alles, was ich tun konnte, war, in Scandals Augen zu starren. Ich wußte, wenn ich den Blick hob, würde ich möglicherweise mitansehen müssen, wie dem armen Grym das Gekröse aus dem Leib gerissen wurde, und das wollte ich nicht. Mehr als alles in der Welt, was ich je gewollt hatte, wollte ich das ganz bestimmt nicht. Die Augen des Katers waren riesig und glitzerten, bis auf die schwarzen, geschlitzten Pupillen, die wie zwei Erdspalten aussahen. Wenn ich nur eindringlich genug hineinsah, würde ich vielleicht hineinstürzen können, um alle anderen mit mir zu nehmen. Tief, tief nach unten, weit, weit fort von Zoltan und seinen Hausdämonen, wo wir in Sicherheit sein würden …
»Was ist los mir dir?« fragte die Katze. Ich wünschte mir, ich hätte antworten können. Scandals Augen waren noch größer geworden.
Jetzt waren sie nicht mehr riesig, sondern gigantisch. Und aus dem Mittelpunkt spülten Wogen aus Gold hervor. Da glaubte ich, feste Gegenstände in dem goldenen Meer auszumachen. Ringe, Pfeile, Bücher, alles mögliche, das nur darauf wartete, daß ich meine Hand hineinschob und mir nahm, was ich wollte.
»Aua!« jaulte Scandal, als ich ihn fallen ließ und die Hand in das goldene Meer schob, das viel zu groß war, um von einem Katzenauge umspannt zu werden.
Die beiden Dämonen, die Grym gerade zusetzten, erstarrten auf der Stelle, als sich strahlendes Licht auf sie legte, schwerer als jeder Granitblock. Ich sah, wie sie sich langsam umdrehten, jede Bewegung schien sie Blut zu kosten, und traute meinen Augen nicht, als sie plötzlich vor mir in die Knie gingen.
»Aaiiiiieee!« kreischte der eine und gestikulierte mit einer knotigen, krallenbewehrten Hand. »Schau nur! Er hat das Heilige Schwert von Sassafrax gefunden!«
Ich sah zu meiner eigenen rechten Hand hinüber. Tatsächlich. Da war ein Schwert, kein Zweifel. Keine Ahnung, wie es da hingekommen war, aber nun war es einmal da. Der scharlachrote Griff war von Edelsteinen übersät, die Klinge glitzerte von eingelegten Silberrunen, der Knauf hatte die Form eines smaragdäugigen Drachens, der auf einem Berg von Saphirschädeln schlief. Es war wirklich ein sehr beeindruckendes Schwert, auch wenn das Lob aus meinem eigenen Munde stammt.
»O weh!« jammerte der erste Dämon. »Wir sind verloren.
Kein Wesen der Unterwelt kann vor dem heiligen Schwert von Sassafrax bestehen!«
»Bist du plemplem?« fauchte der andere Dämon. »Natürlich sind wir verloren, aber nur, weil er die Gesegnete Klinge von Blimgisch hervorgeholt hat, gegen die keine Kreatur der dunklen Zauberei etwas auszurichten vermag.«
Der erste Dämon erhob sich von den Knien - sofern es tatsächlich Knie gewesen sein sollten - und funkelte seinen Genossen böse an.
»Das ist das Heilige Schwert von Sassafrax, und wenn du nicht halb blind wärst, weil du immer unter der Bettdecke Bücher mit Witzgeschichten liest, nachdem man das Inferno gelöscht hat, würdest du es auch selbst erkennen.«
Auch der zweite Dämon erhob sich, um die Pratzen in seine glitschigen Hüften zu stemmen. »Mit meinen Augen ist alles in Ordnung. Das Heilige Schwert von Sassafrax hat nun mal keinen drachenförmigen Knauf. Die Gesegnete Klinge von Blimgisch dagegen schon. Und außerdem kann nur eine Jungfrau das Heilige Schwert führen!«
»Das geht euch überhaupt nichts an!« schrie ich los, bevor einer der beiden mir die naheliegende Frage stellen konnte.
»Hohoooo, Junge, bist du aber rot geworden!« kicherte Scandal bösartig.
»Wen stört das schon, wie das Ding heißt?« kreischte Zoltan und hüpfte neben dem einzigen verbliebenen Dämon auf und ab, der noch nicht tot war oder sich in Gezänk verstrickt
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