Esti (German Edition)
Hyänenhund, dann könnte er fliegen) über seinen Erinnerungen.
Kornél Estis Erinnerungen: In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre galten meine Schwester und ich aus Sicht der deutschen Sprache als Neuland. Unsere Eltern versuchten zwar manchmal, wenn sie sich an ihre eigene Kindheit erinnerten, in der sie wie selbstverständlich mehrere Sprachen auf einmal gesprochen hatten, mit uns deutsch zu reden und so zu tun, als könnten sie nicht Ungarisch, doch wir wussten, dass sie es konnten. Unseren daraus sprießenden Argwohn übertrugen wir dann auf die deutsche Sprache. Die deutsche Sprache, stellten wir fest, ist VON HAUS AUS hinterhältig. Unaufrichtigkeit und Hintergedanken und verschleierte Absicht. Gegen die man sich wehren muss.
Ein Ungar spricht Ungarisch, schleuderten wir unseren Eltern die Kurutzenweisheit ins Gesicht. Du bist so viele Menschen wert, wie du Sprachen sprichst, antworteten sie erschrocken.
Wir stellten uns die deutsche Sprache als Dieb auf Zehenspitzen vor oder als heimtückische Krankheit, die selbst unsere arme Mutter und auch unseren armen Vater infiziert hatte. Doch etwas an dem Ganzen war rätselhaft, unbegreiflich: Warum nur wollen unsere Eltern uns dieses Übel aufzwingen? Dieses Gemeine. Oder hatten wir etwas missverstanden? Schließlich führte uns die Unsicherheit dazu, dass wir uns nicht mit ganzer Kraft gegen das Deutsche wehrten, wir nahmen uns nur vor ihm in Acht; wir gaben unserem Misstrauen Ausdruck. (Für das höchst seltsame Verhalten der deutschen Sprache fanden wir später, während der Sommerurlaube in Österreich, als wir ihr auch leibhaftig begegneten, zahlreiche eindeutige Beweise. Ich befürchte, wir dachten, die deutsche Sprache sei eine ungarische Sprache, in der die ungarischen Wörter deutsch sind. Einer meiner ersten Vorschläge in diesem Sinne war die Abschaffung von DER-DIE-DAS , die dem echten Ungarn ungerechtfertigt viel Leid bereiten, durch die Verkleinerungsform. Als ich erfuhr, jedes Substantiv mit der Endung - CHEN ist DAS , freute ich mich, als hätte ich das Perpetuum mobile erfunden. Im Grunde war etwas in der Art geschehen. Ich erinnere mich, wie mein Vater lachend nickte, als gratuliere er mir zu meiner das Leben der Menschheit in neue Bahnen lenkenden Entdeckung und lache mich gleichzeitig wegen dieser Albernheit aus. Soll ich jetzt sagen, dass die deutsche Sprache sich wie mein Vater erwies: als undurchschaubar?)
Aus all diesen Gründen wollten unsere Eltern dem Sprachstudium einen angemesseneren Rahmen geben, sie entzogen unsere Einführung in dieses zwielichtige und verdächtige Dickicht der familiären Oberhoheit und vertrauten sie einem Sprachlehrer an. In dieser Zeit waren die deutschen Sprachlehrer deutsche Sprachlehrerinnen, gemeinhin – letzten Endes – aus Österreich, mehrheitlich Baroninnen, deren Männer in schöner Zahl Horthy-Offiziere gewesen waren und in einem fort wegen der verrohenden Weltlage lamentierten, womit teils die Kommunisten gemeint waren, teils die Proletisierung der Arten, eine Krawatte zu binden. Beziehungsweise, und da wurde es heikel, die »halsstarrig konsequente« Trägheit der Schüler, ihre schamlose Schläfrigkeit.
Unsere erste hieß TANTE Nelli (im Laufe der Zeit verspeisten wir dann noch weitere TANTEN ). Für die erste Stunde machten wir uns zurecht, als gingen wir zu Besuch, dabei kam sie zu uns (frei Haus). Wir mussten uns umziehen und unsere Mutter kochte Kaffee. Es herrschte Aufregung. TANTE Nellis Ausmaße übertrafen alle Vorstellungen, als hätte nicht der Herr, sondern Rubens sie geschaffen. Unser großer weißer Komondor bellte sie heftig an. Sie kreischte fröhlich wie in einem Film.
Oh, dieser Hund wünscht mich doch nicht etwa zu verspeisen?
Er hat schon gefressen, knurrte mein Vater grob, beinahe selbst wie ein Hund, aber TANTE Nelli war so gerührt, in der Person meines Vaters sozusagen ihrer früheren, schmerzlich verlorenen Welt zu begegnen (sie irrte sich), dass sie glücklich über alles kicherte. Finster führte mein Vater sie ins Haus.
Die Erwachsenen hatten einen schlechten Einfluss aufeinander, als gebrauchten sie Sätze aus dem obigen Film, selbst mein Vater, obwohl er zwischen zwei Höflichkeits- oder Konversationsfloskeln steif schwieg. Von Zeit zu Zeit wandte sich unser Gast uns zu und stellte uns affektierte Fragen, jedoch nicht in der entsprechenden Sprache, so dass wir hartnäckig schwiegen. Unsere Mutter sprach das an.
Aber das ist nicht Ungarisch, erwiderten
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