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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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überrascht fest, dass er so, wie er malte, auch zerriss, aus derselben Überlegung. Damit hatte er nicht gerechnet. Doch der Maler hatte vielleicht nicht mit der Natur des geschöpften Papiers gerechnet. Den aus zerkleinerten Lumpen, Zellstoff bestehenden Brei, der getrocknet zu Papier wird, schöpft man mit einem Seidensieb aus einem Bottich und lässt das Wasser abtropfen. Das Wasserzeichen wird eingebracht, indem man es sorgfältig (!) in die Siebseide stickt. Der Rand von geschöpftem Papier ist deshalb ausgefranst, weil dieses sich so auf dem Sieb ablagert. Das Wichtigste ist, dass gutes Papier holzfrei ist!
    Gutes Papier lässt sich schwer zerreißen. Und der Maler konnte noch so ruhig sein, dies konnte noch so sehr ein natürlicher Teil des Malprozesses sein, das »schwer« zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Das ist doch etwas anderes, als einen Satz zu streichen. Esti bat um die Papierstücke, mit der geheimen Absicht, sie dann zu Hause zusammenzukleben. Doch er war dazu nicht in der Lage. Auch die Teile sind schön. Als er die Möglichkeit zu malen feige abgelehnt hatte – wirklich!, was für ein überwältigend schöner Gegenstand war dieses postkartengroße Papier mit dem ausgefransten Rand! –, hatte er daran nicht gedacht. Ihm fiel ein, wie natürlich die Farben und Formen ineinandergeflossen – nun, weil der Maler sie so fließen ließ! – und Farbe und Form geworden waren, all das schien so selbstverständlich, notwendig, mithin einfach – vor diesem Einfachen erschrak Esti.
    »Man muss nicht ständig malen, doch immer Maler sein.« Für das Wort Künstlerehepaar erschienen (Esti) bei Google 2850 ungarische Treffer in 0,29 Sekunden.
    Esti lag im Bett. Hier gibt es keine Bedienerin, die lächelnd in der Tür stünde, als habe sie der Familie ein großes Glück zu melden, würde dies aber nur dann tun, wenn sie gründlich ausgefragt würde. Die fast aufrechte kleine Straußenfeder auf ihrem Hut, über die sich Estis Vater (den es nicht gibt) schon während ihrer ganzen Dienstzeit ärgern würde, schwankte leicht nach allen Richtungen. Hätte Esti eine Mutter (hat er nicht), vor welcher die Bedienerin noch am meisten Respekt hätte, so fragte sie, also was wollen Sie eigentlich. Also, würde in diesem Fall die Bedienerin antworten und könnte vor freundlichem Lachen nicht gleich weiterreden, also darüber, wie das Zeug nebenan weggeschafft werden soll, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Es ist schon in Ordnung.
    Und so gibt es auch keine Schwester, die am Ende des Textes wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten sich erhöbe und ihren jungen Körper dehnte.
    Nichts davon gibt es. Es gibt das Liegen auf dem Bett. Warten auf die riesige Hand, die in Stücke reißen wird. Das gibt es auf Esti, auf dem Bild, dieses Warten, das ist zum Foto noch hinzugekommen.

Achtes Kapitel
    in welchem Kein bisschen Mátyás (1)
    E ines Tages, eines schönen Tages – er hatte in Wein gebadet, sich mit Wurst getrocknet –, eines Budapester Tages voller Blumen und würzigem Duft – das ist kein Witz, besonders nicht aus fremden Landen eingeschleppte Ironie, lediglich fauler Realismus; obgleich ich nicht à la Péter Apor murren möchte, früher, ja, früher!, als der hungrige Wanderer noch mit Weyn, Huhn und Kuchen bewirtet wurde, früher, das waren noch Jahreszeyten, harte Winter, vielversprechende Frühlinge, wilde Sommer und schwermütige Herbste, damit wir auch etwas lernen, könnte ich die Attribute permutieren, schwermütige Winter, harte Frühlinge, vielversprechende Sommer und wilde Herbste, aber dies mit dem Anspruch auf Vollständigkeit eyn andermal, das heyßt, der Winter war kalt, der Sommer warm, die armen Schneeglöckchen jedoch mit ihren »jungfräulichen Köpfchen« durchbrechen, als wären sie beschwipst, schon im Januar den »Panzer des vermodernden Laubes« (Ausdrücke meynes Vaters aus meynem eynstigen Gymnasialaufsatz) –, nun, dieses »nun« ist das Mindeste, um den Satz fortsetzen zu können, eynes schönen Tages, als sich in den Gärten, an den Waldrändern die Schneeglöckchen rührten, entdeckte Kornél Esti beym Aufwachen (natürlich: Am Tag zuvor war er aus Portugal zurückgekommen, wo er portugiesisch, in der Sprache der Blumen, gesprochen hatte, daher die Schneeglöckchen weyter oben), beym Blick in den morgendlichen Spiegel plötzlich, schlagartig, erneut seine Ähnlichkeyt mit König Mátyás. Aufs Haar der Corvinus! Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, so

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