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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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Konkurrenz bedeuteten, deshalb verfolgte man sie immer wieder bey sich bietender Gelegenheyt, was man, zwey Fliegen mit eyner Klappe, mit ihrer Ausplünderung und zuweylen, wenn die Situation, das Wetter, die Politik, die pure Laune oder der Zufall es mit sich brachten, auch mit ihrer Abschlachtung verband. Doch Matyi ist nicht Matyi, dass wir unsere Geschichte derart düster erzählen.
    Zunächst eynmal bezeychnet der heutige wissenschaftliche Gebrauch des Begriffs den modernen Hass auf die Juden als Antisemitismus, die klassische Anfeyndung ist der Antijudaismus, dessen treybende Kraft ist noch nicht die Rassentheorie, er ist in erster Linie eyn religiöses Problem; diese Unterscheydung ist deshalb von Bedeutung – Mátyás war eyn großer König, Gerechtigkeyt kochte in seyner Küche –, weyl vor dem Auftreten des Menschenrechtsgedankens rassistische usw. Momente nicht auf dieselbe Weyse beurteylt werden können wie später, denn damals, nicht wahr, kam man noch nicht auf die Idee – es konnte keynen Bedarf geben! (Witz, wenn auch nur halb!) –, dass wir eynst eynen Europäer nennen würden, der so etwas nicht tut, nicht denkt (wie Kossuth sagt: Als Mensch des neunzehnten Jahrhunderts schäme ich mich für die antisemitische Agitation, als Ungar ist sie mir peynlich und als Patriot verdamme ich sie).
    Es hat etwas Gutes und Löbliches, Billiges und Heylsames, wenn man in der Zeyt lebt, in der man lebt – nun, das ist nur eyn flüchtiger Gedanke.
    Nun aber endlich. Die Juden lebten seyt dem Privilegienbrief Bélas IV. in sogenannter Kammerknechtschaft, das heyßt, sie waren Eygentum des Königs. Na, hoppla! Wenn der König sie also schützte, dann schützte er eynfach bloß seynen Besitz. Ich bemerke, das ist das Todsichere, nicht die Pießie, das pure Eygeninteresse. Und natürlich trifft das auch umgekehrt zu, wenn er aus irgendeyner Überlegung heraus zuließ, dass man die Juden piesackte, so war das nicht Judenfeyndlichkeyt, er machte hinsichtlich seynes Besitzes eyn Zugeständnis, und fertig. Natürlich kam es vor – dann und wann, gleychwohl wir erwähnen sollten, dass für den, der gerade bis zum Hals im »dann und wann« steckt, dieses das »immer« ist; oder wie meyne Brüder sagen, es ist überhaupt nicht egal, auf welcher Seyte des Schwanzes du stehst –, dass ihr Judentum das Problem war, Ludwig I. zum Beyspiel ließ sie verfolgen (manche sind der Ansicht, nur partiell und vorübergehend!), weyl und ausschließlich weyl sie mit halsstarriger Konsequenz (Zitat aus eynem Tadel aus der Gymnasialzeyt: Ihr Sohn stört mit halsstarriger Konsequenz den Unterricht, Unterschrift: Schwarz, doch dieser ist, glaube ich – meyn Gott, ich weyß es nicht –, nicht so eyn Schwarz) nicht geneygt waren, sich zum rechten Glauben (kleyne Hilfe: zum christlichen) bekehren zu lassen, wie es in János Kükülleis Chronik heyßt.
    Der gute Mátyás, Jankós guter Sohn, war in dieser Hinsicht eyne schlichte Seele: Er mochte seyn Eygentum nicht aufs Spiel setzen. Also schuf er die jüdische Präfektur mit Jákob Mendel an der Spitze, um FÜR ALLE FÄLLE genaue Informationen über das Steuerpotential der Juden zu haben. Für ihre Geneygtheyt sorgte er mit harter Hand, denn er war hart wie Industriediamant, wir erinnern uns nur nicht gern daran, lieber strapazieren wir den Mythos – im Geyste der für Tradition gehaltenen Tradition. Wenn zum Beyspiel die Schuldner dieses Mendel nicht zahlten – so viele schöne Ungarn, mit Schnauzbart, stolzgeschwellter Hahnenbrust, neyn, gewiss nicht kränklich katzbuckelnd, mit gekrümmten raffgierigen Fingern popelig Geld zählend (bajuwarische Popel?, lassen wir das, eine unübersetzbare politische Anspielung, es ist einfach nur unangenehm; so aber verhält es sich nun mal mit den Wörtern, jemand rülpst eyns hin und schon kann man nicht mehr guten Gewissens eynen Schnupfen kriegen, von eynem gesunden turanischen Rotzen ganz zu schweygen; so wird von Zeyt zu Zeyt, doch nur für eyne Zeyt, auch die Sprache provinziell) –, sandte Mátyás wiederholt quasi landesweyte Steckbriefe (!!!) aus, damit die Schuldner sich nicht aus dem Staub machen konnten. Bey Beatrix’ Eynzug in Buda schritt eyne zweyhundertköpfige jüdische Gesandtschaft im Festzug – der gute König würde es kaum erlaubt haben, flössen in der Brust unablässig Groll und Hass.
    Eynmal holte Mátyás Rex eynen übergetretenen Juden aus dem Finster des bischöflichen Kerkers von Győr mit der Flut von Argumenten,

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