Esti (German Edition)
sozusagen kennen, während, nicht wahr, unten der Tejo dahineilte. Es blieb ein Anflug prinzipiellen Zauderns, Esti sann bei seinen Spaziergängen immer wieder darüber nach, mal systematisch, mal sprunghaft, kam jedoch zu keinem befriedigenden Ergebnis: ob der Garten Natur ist. Oder wie er in seinem Tagebuch mit lila Tinte festhielt: Ist der Garten der Bakony, wenn er nicht Paris ist? Oder übersetzt in die Alltagssprache (Scherz!), ist er, Esti, im Schoß der Natur, wenn er in seinem Garten herumhantiert, gar umherstreift, ist er dann dort zu finden, im Schoß? Er fragt sich auch (eher eine Fangfrage als ein Ausweg), was man denn in dem Schoß oder in so einem Schoß machen (herumhantieren, umherstreifen) kann?
Was, was … Demnach mache ich hier nicht zufällig mit der Formulierung herum.
Mit dem Garten ging der Nachbar einher – – – die Nachbarschaft – – – das Nachbarsein – – – die Tomagos, Paulo und Carmen. Ein ansehnliches Paar, rank und schlank wie die Schweden, dabei waren sie Portugiesen, doch das spielt für unsere Geschichte (meine Geschichte!, meine, meine, meine Geschichte) keine Rolle, im Gegensatz zu Estis ungarischer Herkunft (das habe ich bisher nicht erwähnt, weil ich es für selbstverständlich halte, denn welcher Ungar ist nicht Ungar, und Esti war Ungar vom Scheitel bis zur Sohle, unter »Ungar« verstand er ein bisschen mehr, als es in seiner Heimat zu der Zeit üblich war, er pflegte ein freundlicheres, kosmischeres und irdischeres Ungarnbild, beziehungsweise »pflegte« er nicht, er pfiff gut gelaunt auf das Ganze, betrachtete diesen Ungarnkram nicht als Schranke, höchstens in dem Maße, in dem das Sein eine Schranke ist, doch unter uns gesagt, Esti war im Seinsdenken zart besaitet wie Frühlingszwiebeln oder Märzjungfern, er dachte höchstens über das Leben nach, auch da eher über Detailfragen, über Turnschuhe, Rheuma, eine schnaufende Frau (Vorsicht!, keine schnarchende, nicht dass er Einwände irgendwelcher Art gegen Schnarchende, unter anderem schnarchende Frauen und Mädchen hätte), die Engel beziehungsweise jetzt auch den Bogen der Tejoschlinge inklusive der kleinen Túr), wo nur haben wir den Satz verloren, ja, richtig, dass Esti hier als Ungar noch eine Rolle spielen wird, doch das wird keinen überraschen, das Ungartum ist wie ein unterirdischer Fluss oder Maulwurf, es kann jederzeit auftauchen.
Dann ist die Freude groß. Oder das Gejammer. Oder wir gucken wie die Kuh, wenn’s donnert. Eine abenteuerliche Sache.
Es ergab sich, dass man sich eine Weile gar nicht traf, als wären die Nachbarn verreist, doch Esti interessierte der Garten, nicht der Nachbar. Übrigens überraschte ihn das; er war schon daran gewöhnt, dass er von den Wörtern schwer zu den Menschen gelangte, aber dass sich nun auch die Natur wie die Wörter verhalten und sich zwischen ihn und die Menschen schieben würde – – – diese Schwerfälligkeit äquiliparierte er mit einer bis dahin eiskalten Freundlichkeit.
Doch noch bevor diese verantwortungslose Freundlichkeit in Gang kommen konnte – – – Raum gewinnen konnte – – – sich ins Zeug legen konnte, geschah das Unheil. Ich übertreibe, Unheil ist, wenn ich mir das Bein breche und keinen Turnschuh anziehen kann, so dass der betreffende große Zeh Rheuma kriegt und die liebe schnaufende Frau schlechte Laune, die Engel sind von vornherein schrecklich, der kleinen Túr aber fällt es nicht im Traum ein, zum Tejo zu drängen – – – besser Unannehmlichkeit – – – schlechte Nachbarschaft ist ein Türkenfluch, das ist das Leitmotiv.
Das erste Mal sprach Paulo Tomago Esti an, als würden sie sich schon seit je kennen – – – als wären sie als Nachbarn geboren worden. Das gefiel Esti, obwohl er bemerkte, dass sie sich auf diese Weise weder begrüßten noch einander vorstellten. Herr Nachbar, grölte Tomago über den Zaun, was ist denn das für eine Unordnung?! Esti vermutete am ehesten einen Scherz hinter dem für ihn unverständlichen Satz, nicht bloß freundlich, gut gelaunt fragte er zurück, was der Herr Nachbar meine. Er spürte, das Wort Nachbar war wie ein Bruder. Den Rasen, Herr Nachbar, um nur ein Beispiel zu nennen, den Rasen!
Kornél Esti ließ seinen Blick über den Garten schweifen – – – seinen Garten – – – es ging ihm damit wie dem Herrn am Anfang : Er sah, dass es klasse war. Ich muss gestehen, und meine Meinung quadriert (ein Wort Miklós Mészölys) mit der von Esti, das ausgesprochen
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