Esti (German Edition)
war gerade kein Gefühl, eher eine Mischung aus Verachtung und Geringschätzung, Hass fand er diesmal keinen in sich, freilich, er hatte noch nie jemanden gehasst, er hielt das nicht für eine Tugend, eher für eine Art Defekt, als wäre er nicht konsequent genug, als kritzele er herum, anstatt die morschen Schranken des Menschseins offen auf sich zu nehmen.
Der Mann, der Verabscheute, hieß Paulo Tomago, und mit ihm begann er auch dessen Frau, Carmen, zu verabscheuen, er verabscheute im Doppelpack, nimm zwei, zahl eins. Esti schwamm quasi in diesem neuen, nennen wir es dennoch Gefühl, Gefühl; er schwamm darin wie der Knurrhahn im Tejo.
Der Knurrhahn steht hier aus lauter Schönheit, der Tejo aber gerät hierher, weil er unter Estis Garten plätscherte. Er plätscherte gar nicht, dafür war dieser Fluss zu groß, zu bedeutend, er strömte weich unter den Gärten dahin. Oder er wälzte sich zwischen »dahin« und »plätschern« zum Meer und verband Esti mit dem Unendlichen.
Damals hatte der Tejo bereits leichtes Spiel mit Esti.
Ich möchte zum Augenblick des Abscheus kommen, der mit Estis Garten in Verbindung gebracht werden kann, der wiederum mit der Beziehung Estis zur Natur, mit der Entstehung dieser Beziehung (in Verbindung gebracht werden kann). Ursprünglich hatte Esti keinerlei Beziehung zur Natur, wie er gern mit der leidigen Unschuld derjenigen, die sich gern selbst wiederholen, und ein bisschen Selbstgefälligkeit wiederholte, als wäre er blind und als wäre Blindheit eine Tugend, auf jeden Fall eine Fähigkeit gegenüber den lahmen Sehenden. Ihm war die Natur egal, da kann sie gipfeln, wie sie will, ihm war sie schnuppe. Was bist du mir, über allem Tiefland ist Ruh’ und so weiter. Ich würde es nicht Widerstand nennen, eher Passivität. Um nicht zu sagen, Impotenz. Meiner steht nicht auf die Karpaten, kicherte Kornél Esti. So etwas sagt ein erfahrener Mann nicht.
Spielte ich auf der Frivole, würde ich sagen, dass sich das Stehen verändert hat. Als Esti zum ersten Mal längere Zeit in Portugal war, eine Weibergeschichte, wohnte er in einem dicken Feldsteinturm aus dem sechzehnten Jahrhundert, in dem angeblich auch Cervantes sich aufgehalten hatte, freilich ging über jedes alt aussehende Gebäude dieses Gerücht, wie in der Gegend von Florenz in jedem Gebäude Dante gewohnt hat, und wer könnte im Winkel von Kiskunfélegyháza und Kecskemét auch nur einen Schuppen zeigen, der nicht bis zum heutigen Tage die patriotische Wärme des kümmerlichen Leibs unseres Petőfis bewahren würde.
Nicht wegen der Aussicht, des Lichts wegen, ja, zwecks Lichts schob (zerrte und zog) er den Schreibtisch vor das Fenster, wodurch er den ganzen Tag am Fenster saß, sehen konnte, was Cervantes (und Dante und Petőfi) sehen konnten, diese außergewöhnlich sehenswerte oder, mit Estis damaligem argwöhnischem Gleichmut gesagt, diese trivial sehenswerte Mannigfaltigkeit des Tejotals, dieses verdächtig harmonische Wogen der Hügel und Täler; ob er wollte oder nicht, sein Blick fiel ständig auf diese Streber-Schönheit, diese Postkarte.
Am ersten Tag saß er, wie er sie zu Papier brachte, unwirsch über die Wörter gebeugt. Vergeblich versank er in seiner Arbeit, umwarb, streichelte, tätschelte die Wörter, kitzelte sie wie gewohnt, er sah sie auch dann, diese auf verwirrende Weise für überflüssig gehaltene Schönheit. Erst anderntags folgte er der Versuchung und nahm schmollend zur Kenntnis, dass er zuweilen aus dem Fenster sehen musste.
Seine ersten Entdeckungen machte er bei den »Krausewolken« – – – vorn die Bühne im Schatten, dahinter Sonnenlicht, das seine Besonderheit ausschließlich dem Schatten hier verdankt – – – dem Mangel an Sonnenlicht – – – wie viel Spiel auf einmal!, was für ein Flimmern! – – – der Himmel das billigste Azurblau – – – wie Paul Newmans Iris – – – und dann dort ein protzig dreidimensionales Gekräusel! – – – Watte! – – – Bis jetzt sind die Wolken, wenn er sie überhaupt gesehen hat, viel eher hat er sie höchstens vorausgesetzt, am Himmel oder im Himmel geschwommen – – – diese hier aber hängt herab. Wenn sie sich ausstreckte –
Ständig passiert da draußen etwas. Wenn ich es sehe, ist es, Esti nickte, als nähme er gerade an einem Crashkurs in Philosophiegeschichte teil. Eben noch hatte er scharf den Hügel gegenüber – – – dort drüben – – – gesehen – – – weit und breit kein Bauernweib aus dem
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