Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
Vom Netzwerk:
Gartentor. Wer weiß, ob da die Zeit verging.
    Von da an nahm Esti den Mann in seine Obhut – – – wand sich aus der Umarmung und nahm ihn in seine Obhut – – – überhäufte ihn mit lauter rührenden Zeichen der menschlichen Hilfsbereitschaft – – – manchmal kaufte er für ihn ein – – – lud ihn zum Abendessen ein, nach welchem sie spielerische Blindverkostungen unbekannter, doch zu großen Hoffnungen Anlass gebender portugiesischer Rotweine veranstalteten, inmitten fürchterlichen Gestanks lösten sie zusammen sogar das unlösbar scheinende Problem des verstopften gemeinsamen Abwasserkanals, überdies tauschten sie Rezepte – – – ein Kabeljaurezept – – – alles veränderte sich, selbst mit Ludwig gingen sie spazieren – – – hinunter ans Ufer des Tejo, hinauf zur Nördlichen Eisenbahnbrücke, Ludwig kläffte erfüllt von einem Glück, das Wittgenstein nicht einmal hatte postulieren können, Esti dachte nicht an seinen Rasen, weder pro noch kontra, alles veränderte sich, auch der Tejo schien sich anders zu schlängeln – – – unten – – – nur sein tiefer, an Brechreiz grenzender Abscheu ließ kein bisschen nach.

Elftes Kapitel
    in welchem Auf dieser Welt
    W enn ich umgebracht worden wäre, wenn jener Junge mich um gebracht hätte, und ja, er hätte mich bestimmt erschossen, aus der Nähe, ohne zu zielen, dort, am Rand der Straße nach Brindisi hätte gar nichts anderes geschehen können, auch wenn man jemanden auf viele Arten töten kann, doch mich zu Tode zu treten, hätte er keine Zeit gehabt, und er sah auch nicht danach aus, wiewohl unendliche Verbitterung aus jemandem einen ganz neuen Menschen machen kann, doch er musste nun mal flüchten, zumindest sich aus dem Staub machen, deshalb kam auch Aufhängen nicht in Betracht, obwohl der Straßenrand, die Bäume diese Methode quasi anbieten, eine Tradition heraufbeschwören, das Kreuzigen, und damit wären wir auch schon tief in lateinischer Zeit, entlang der Via Appia ließ Crassus Spartakus und dessen Leute kreuzigen, das könnte noch so einen romantischen Touch, ästhetisches Gewicht haben, könnte noch so sehr auf der Hand liegen, wenn keine Zeit ist, ist keine Zeit … das Messer, was bin ich doch für ein Rindvieh!, das Abstechen, das liegt noch viel eher auf der Hand als das Erschießen, woher auch sollte er eine Pistole haben?, sicher von seinem Onkel, er hätte sie von seinem Onkel zur Firmung bekommen, und wenn er keinen Onkel hat?, hier hat jeder einen Onkel, egal, selbst dann ist das Messer billiger, und ein Messer hat tatsächlich jeder, eher ein Messer als einen Onkel, er hätte mich nett umarmt, als liebten wir uns, und hätte mir die Klinge weich und geschickt zwischen die Rippen gerammt, ich hätte mit einem Schrei aufgestöhnt, wie es nur in höchster Befriedigung möglich ist, dann hätte er mich behutsam, nahezu andächtig, als würde er mich begraben, mir die letzte Ehre erweisen, am Rand des Straßengrabens hingelegt, sanft – kurzum, wenn er mich umgebracht hätte, dachte Kornél Esti, dann könnte man daraus, dann wäre daraus ein, ein was auch immer zu schreiben!
    Oder, wie es zu Beginn der siebziger Jahre hieß, eine handfeste Novelle. Junger Mann – er war damals wohl etwas älter als der Junge mit oder ohne Messer –, wir brauchen eine handfeste Novelle, nicht diese Wortfummelei, hatten sie streng und irgendwie beleidigt zu Esti gesagt. Und was ist mit einer handfesten Wortfummelei?, Esti hatte gegrinst. Doch das war eine Falle, in die die Redakteure nicht gingen, da sie nicht bemerkten, dass es eine Falle war. Das Übliche: Sie sprachen eine andere Sprache, beziehungsweise arbeitete Esti gerade daran, begann damit, eine neue Sprache zu schaffen, das heißt seine: das Übliche.
    Doch schon beim Erzählen des Geschehenen wäre es Esti gelegen gekommen, wenn er umgebracht worden wäre – toter Autor guter Autor –, man hätte aufmerksamer zugehört, mit Interesse, vielleicht hätte man sogar Erschütterung gezeigt; sie wäre zwar nur gespielt gewesen, dennoch schenkte man dem Tod, auch wenn man ihn nicht ernst nahm, weil man nichts mehr ernst nahm, eine andere Aufmerksamkeit, man log, in der Angst, dass man vor ihm Angst habe, es war dies nicht mehr als Höflichkeit, auf jeden Fall hätte Esti mit zwei Kugeln im Magen oder eher Bauch – der Bauchschuss ist am schlimmsten, so habe ich gelesen, ein langsamer, kalter Tod – nicht das achtlose, gelangweilte Nicken ertragen müssen, ja, ja, so

Weitere Kostenlose Bücher