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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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auch nur irgendetwas Gutes über die Nachbarn zu denken, selbst jene schöne schwedische Statur verwandelte sich in die Form spindeldürrer Bohnenstangen. Als wäre sie eine nichtsnutzige Katze – – – komm, Mieze, komm – – – rief er die Bestie in der Hoffnung, den verhunzten kleinen Köter damit in eine Identitätskrise zu stürzen, der wütend, tatsächlich fast miauend zurückkläffte. Esti jedoch hatte ihn nicht zum Selbstzweck geködert, vielmehr hatte er Ludwig damit zum Zaun gelockt, um anschließend kräftig in den Zaun zu treten – – – eine fachmännisch verfeinerte Bewegung, sie muss kräftig, schwungvoll, furchteinflößend sein, darf aber nicht weh tun – – – damit sich der Hund jaulend, winselnd trollte.
    Esti nahm zufrieden den makellosen Rasenteppich in Augenschein, er hatte mit dem Schnüffeln Ludwigs im Hintergrund, das sich anhörte wie Schluchzen, das Gefühl, die Welt zu verstehen.
    Die Zufriedenheit, auf die leicht der Schatten der Oberflächlichkeit, Selbstliebe, Selbstherrlichkeit fallen kann, können wir angemessen nennen – – – dieser neue Affekt erklärte gut die Welt – – – freilich, dem war vorausgegangen, dass er begonnen hatte, die Welt anders zu sehen – – – siehe rank und schlank versus spindeldürr – – – Wenn aber auch nicht wichtiger als die Welterklärung, so erwies es sich doch als ein enorm angenehmer Prozess, dass er dadurch endlich nicht mehr aus dem Rahmen fiel.
    Man hat mich akzeptiert, still senkte Esti den Kopf, als würde es sein Herz erheben, in die Höhe heben. Sein Vaterland verabscheute damals kreuz und quer – – – einander? – – – sich selbst – – – indem es diese auch in der Formulierung merkliche Unsicherheit dadurch löste, dass es die Verabscheuten nicht als Teil des Vaterlandes betrachtete – – – und Esti wollte nicht – – – war auch nicht – – – auch nur einen Deut besser – – – mit patriotischer Ehre nahm er immer wieder Anlauf – – – doch entweder kam er nur bis zur Geringschätzung – – – im besten Fall bis zur Verachtung – – – in seinen besseren Augenblicken bis zum Ekel, der schon beachtenswert an Abscheu grenzte – – – oder er vergaß, auch wenn er endlich zu dem gewünschten Nationalabscheuminimum gekommen war, immer wieder dieses gesamtgesellschaftliche Spiel, was ihn ein wenig fremd machte, er wurde blasser und schweigsam und auch sein Gang veränderte sich.
    Nun endlich konnte er im Gefühl der Seinigen schwimmen – – – und es gibt keinen Liberalindividualisten – – – Egolöbling – – – der die beruhigende Großartigkeit dessen nicht begreifen würde. Wir, sprach Kornél Esti endlich verschämt das große ungarische Wort aus und spie glücklich Gift und Galle.
    Wie zwei Eigelb in einem Ei passierte noch etwas – – – obwohl das laut Novellendefinition nicht mehr nötig wäre. Eines Abends trat Carmen, die von Zeit zu Zeit ihrem Namen alle Ehre machend im Haus wie ein Orkan auf und ab rannte, auf den vor der Treppe schlummernden, von der ständigen Angst schon geschwächten Ludwig wie auf ein Stück Lumpen – – – beharrtes Stück Lumpen – – – rutschte aus, stürzte nach hinten, schlug sich den Kopf, Schädelbasisbruch, starb. Nicht sofort, sondern – – – kurze Zeit später – – – nach zwei Wochen, unter unmenschlichen Qualen. Sie brüllte, so großer Schmerz plagte sie, ihr seufzerartiges Schreien tönte vom Nachbarn herüber, ihr stampfendes Stöhnen drang durch alles hindurch, durch Wand, Ziegel – – – Feldstein – – – Bettdecke, als läge Esti neben Carmen, als wäre er deshalb schuld an ihren Qualen. Paulo hingegen lag bis zum Ende neben ihr, war bis zum letzten Augenblick bei ihr, pflegte sie, wachte am Krankenbett.
    Als sie sich danach trafen, sah Esti einen Fremden wieder, er war weicher geworden, kleiner, dicker, grau, unter seinen Augen, als hätte er sich geschminkt – – – oder als wäre er verprügelt worden – – – hätte man ihm eine reingehauen – – – der Tod hatte ihm eine reingehauen – – – graue Ringe – – – sein Blick trübe, die Kraft hatte ihn verlassen. Sie ist gestorben, sagte er anstelle eines Grußes. Armer Mann, dachte Esti, beim Anblick der Tränen in den Augen des anderen. Mein Beileid, und er trat einen Schritt vor. Paulo begriff es als Ermunterung, er umarmte Esti kräftig. Der ihn auch umarmte. Während sie einander in den Armen lagen, standen sie lange im

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