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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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zusammen mit Márai das Land verlassen, aus Feigheit, wie er immer betonte, er redete schnarrend und wie irr, bitte schön, ich hatte Angst um mich aufgchund dech Fehlbachkeit des Menschen, Mensch natüchlich, natuchgemäß gchoß geschchieben, denn dech Mensch ist fehlbach, dech Mensch ist schwach, die Geschichte ist stachk, dech Mensch ist schwach, zechbchechlich, mein Fcheund, zechbchechlich, und wenn ech zechbchechlich ist, dann, bitte schön, kann ech auch zechbchechen, und wenn ech zechbchicht, dann ist ech zechbchochen, bitte schön. Der Professor beschäftigte sich mit dem Fragment als Gattung, also als Ganzem, der Henkel des griechischen Weinkrugs als Weltganzes, so irgendwie, ich zumindest habe so viel davon (scherzhaft gesagt: von dem Ganzen) verstanden.
    Der schönste Schmuck einer süditalienischen Frau ist ihr Schnurrbärtchen, heißt es in Mailand. Dottoressa Cserkaszegi war eine schöne Frau mit einigen Besonderheiten (Merkwürdigkeiten, Eigenheiten). Nun, gleich ihre Größe, sie hatte eine Größe, nicht nur die 190 Zentimeter, sondern sie war ein Koloss. An diese Kolossalität konnte man sich nicht gewöhnen, zumindest Esti konnte es nicht, immer wieder überraschte ihn dieses Große, das zwar normal schien, doch er musste immer wieder an die Norm denken. Esti sah die Professorin an und musste prompt über die ganze Welt nachdenken. Während er ausschließlich den göttlichen Hintern der Dame sah. Eher aus Pflicht, so analysierte Esti, aus Respekt gegenüber der Schöpfung: Nicht ständig auf dieses Hinterteil blicken wollen käme quasi einem Schlag in Gottes Gesicht gleich, das schien selbst einer agnostischen Seele unbestritten, für die Kornél Esti sich hielt. Nun … ich weiß auch nicht.
    Über die vollen Formen hinaus – denn wer einmal volle Form ist, der ist immer volle Form, im Raum, nicht in der Zeit, denn das gibt es, dass jemand welkt wie das Suppengrün, abflacht, umgekehrt ist es schwieriger, aufzuflachen, denn aus Geflachtem werden durch Zunehmen keine vollen Formen, die vollen Formen sind nicht Fettheit, und vorausgesetzt, das ist Estis Steckenpferd, Makó ist so weit von Jerusalem entfernt wie Makó von Jerusalem, nun, dann sind die vollen Formen, wenn sie auch nicht Dünnheit sind, so weit entfernt von der Fettheit wie Makó von Jerusalem – glitzerte bei entsprechendem Streiflicht plötzlich, ich riskiere es, erschreckend ein Flaum auf dem Gesicht, ein Gesichtsflaum, der Gesichtsflaum sprang ins Auge. Und ein spezieller Fall davon ist das Schnurrbärtchen!
    Esti war nicht zu bremsen, wenn sich die Lichtverhältnisse einstellten, das Bärtchenlicht – lux oritur! –, begann er zu betrachten: Er kippte den Kopf zur Seite, es war gar kein Kippen, eher ein Kontinuum, er neigte kontinuierlich den Kopf zur Seite, ohne sich allerdings im Ergebnis den Nacken auszurenken, und betrachtete nur, betrachtete begeistert diese wundervolle Spannung, die sich zwischen dem kaum sichtbaren, kaum vorhandenen Flaum und den besser als alles andere zu sehenden, überaus stark vorhandenen vollen Formen entspann. Lieber Meister, Claudia Cserkaszegi nickte dann nachsichtig, sie war es gewohnt und genoss es, dass man sie betrachtete, Esti war nur einer der glücklichen Glotzer. Er konnte alles an der Professorin leiden, den Flaum, die vollen Formen, einmal roch er sie sogar – sie hielten bei einem Autogrill, um frisch gepressten Orangensaft zu trinken, und da!, da roch er sie –, und auch das konnte er leiden, doch dieses Gemeistere nicht; warum nicht Kornél?, lieber Kornél, das hätte einen Drive.
    Doch wie schon erwähnt, welchen Lauf die Dinge auch nahmen, die Härchen und Kornéls und Achselhöhlenluft-Moleküle, früher oder später, hier: früher, kam Frau Cserkaszegi auf Kossuth. Beziehungsweise auf das Vaterland. Wer von Kossuth spricht, der spricht vom Vaterland; wenn wir voraussetzen, es gibt Kossuth, dann gibt es das Vaterland, etwas, worüber man als Vaterland sprechen kann, sinnvoll sprechen kann. Und wenn Claudia Cserkaszegi von Kossuth sprach, dann sprach sie (in einem Aufwasch) auch von Flaubert, sie konnte nicht von Kossuth sprechen, ohne von Flaubert zu sprechen, von Flaubert hätte sie ohne Kossuth sprechen können, doch sie tat es nicht: Ungarn plus Flaubert, das hat wie der liebe Kornél einen Drive.
    Die Professorin geriet physisch in Erregung (und da ähnelte sie meiner Mama, was mich – freilich nur unbewusst! – hindert, einen kräftigeren, sprich: besseren Ausdruck zu

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