Eternal - Die Vampire von Clare Point
zu essen vertragen. Und vielleicht ein Bier. Es war ein Höllentag.«
Er zog sein Jackett von der Lehne eines Stuhls und schlüpfte hinein. Es war warm auf der Wache, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Fia hatte ihren Blazer ebenfalls ausgezogen und wurde plötzlich verlegen. Sie zog den Blazer über ihr dünnes Seiden-T-Shirt. Glen beobachtete sie. Sie wusste nicht, wo er hinsah, vielleicht auf ihre Brüste; aber das glaubte sie nicht.
Ihre Blicke trafen sich über dem Schreibtisch. »Vielleicht sollten wir aber mit ein paar Leuten sprechen«, fuhr er fort. »In Erfahrung bringen, ob jemand etwas gesehen hat. Oder gehört.«
Seine Augen waren grün. Natürlich waren sie das.
Das würde eine knifflige Angelegenheit werden: den Mord an Bobby aufzuklären, während ein Mensch an ihrem Rockzipfel hing. Noch dazu ein Mensch, der so scharf war wie er.
Sie sah auf die Fotos in ihrer Hand und griff nach dem Umschlag, in dem sie gesteckt hatten. Es wäre tatsächlich klug gewesen, heute Abend in den Pub zu gehen. Sich unter den Leuten umzuhören. Unter normalen Umständen wäre das Teil der Ermittlungsarbeit gewesen. Natürlich konnte er nicht wissen, dass die Kahills auf keinen Fall mit Fremden sprechen würden. Sicher, sie würden so tun, als wären sie offen und kooperativ, genau wie Sean und seine Polizisten es taten. Aber sie wusste aus der Vergangenheit, dass die Stadt ihn zum Narren halten würde. Die Regierung mochte jemanden zur Lösung des Falls entsandt haben, aber die Bürger von Clare Point würden den Mord auf ihre eigene Art aufklären.
»In Ordnung«, sagte sie langsam, während sie die Fotos zusammen mit dem wachsenden Stapel Notizen in eine Akte stopfte. »Am einfachsten ist es, wenn wir die Autos beim Motel stehen lassen und zum Pub laufen. Parkplätze sind hier rar. Hier in der Stadt bewegt man sich sowieso am besten zu Fuß.« Mit dem Beweismaterial unterm Arm ging sie Richtung Tür voraus. »Wir sehen dich im Hill, Chief?«
Sean war auf dem Weg in sein kleines Büro im hinteren Teil der Wache. Er winkte zustimmend und ging hinein.
»Er wirkt ziemlich erschüttert.« Glen hielt ihr die Tür auf. Weil sie genauso groß war wie er, musste er um sie herumgreifen. Dabei streifte sein Ärmel ihre Schulter.
Sie musste all ihre Kraft aufbieten, um nicht zusammenzuzucken. Wie die meisten Kahills war sie empfindsamer als ein Mensch. Sie roch, hörte und sah besser, und auch ihr Tastsinn war schärfer ausgeprägt. Man sagte, dass Vampire mehr fühlten als Menschen. Mehr Lust. Mehr Schmerz.
Fia schalt sich, dass sie Glen seine Kavaliersgeste durchgehen ließ. Sie mochte keine Sonderbehandlung von Männern, schon gar nicht von anderen Agenten. Und erst recht nicht von denen, die wie ihr Ian aussahen.
Der verlogene, mörderische Dreckskerl.
»In Clare Point hat es seit der Stadtgründung noch nie einen Mord gegeben«, sagte sie, wobei sie darauf achtete, dass ihre Stimme möglichst sachlich und neutral klang. »Wir sind hier nicht in Baltimore. Und auch nicht in Philly.«
Er blieb am Fuß der Treppe stehen und hob die Hände, wie um sich zu ergeben. »Hey, Sie erzählen mir nichts, was ich nicht schon weiß.«
Es war schon fast dunkel. Der Sicherheitsscheinwerfer, der hoch oben in einer Ecke des Gebäudes angebracht war, ging gerade an und warf sein gelbes, dunstiges Licht auf den Bürgersteig und das jetzt gräuliche Gras. Im schwindenden Tageslicht wirkten die vertrauten Dinge vor dem Gebäude – die Fliederbüsche, der Flaggenpfahl, die Tigerlilien in den Blumenbeeten neben der Treppe – irgendwie verändert, fast surreal. Vielleicht auch nur, weil Ian im Amerika des 21. Jahrhunderts in einem Brooks-Brothers-Anzug vor ihr stand, vielleicht auch nur, weil Clare Point nach dem Mord an Bobby nie mehr so sein würde wie zuvor.
Fia betrat den Gehweg und wandte sich Richtung Hauptstraße.
»Sie wollen mit dem Auto fahren?«
»Nein«, gab sie zurück.
»Special Agent Kahill?«
Sie konnte nicht so tun, als hätte sie ihn nicht gehört, obwohl sie es kurz in Erwägung zog.
»Agent Kahill«, wiederholte er.
Sie blieb stehen und wandte sich halb zu ihm um.
»Sie wollten doch wohl nicht noch einmal ins Postamt zurück, oder?« Er wartete ihre Antwort nicht ab. »Ich finde nämlich nicht, dass wir das tun sollten. Wir gehen morgen wieder hin. Schauen uns das Ganze noch mal an, wenn wir ausgeruht sind. Zusammen.«
»Ich sehe Sie in zehn Minuten im Motel«, rief sie und überquerte die
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