Eternal - Die Vampire von Clare Point
Offensichtlich war er verärgert, aber ihm schien ein Licht aufzugehen, worum es hier ging – um einen neugierigen Teenager, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.
»Wo sind deine Mutter und dein Vater?«, fragte Fia.
»Ich weiß nicht. Zu Hause, schätze ich.«
Fia sah zu Glen. »Ich schlage vor, dass ich sie nach Hause bringe und mit ihren Eltern spreche. Sie kümmern sich besser wieder um die Schwestern. Officer Hill ist als Einziger im Postamt geblieben. Ich fürchte, er hat keine Chance gegen die beiden Damen und ihre gepanzerten Handtaschen.«
Sie sagte es mit unbewegtem Gesicht. Zu ihrer Überraschung grinste Glen.
Sie mochte es, wenn Menschen sie überraschten. Es kam nur nicht oft vor.
»Du kannst für dieses Mal von Glück reden, Miss Kahill«, drohte er Kaleigh mit erhobenem Zeigefinger. »Wenn ich dich das nächste Mal an einem Tatort herumschnüffeln sehe, ist es mir egal, mit wem du verwandt bist. Dann wanderst du ins Kittchen.«
Kaleigh öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn dann aber klugerweise wieder.
Fia packte sie an den Schultern und schob sie vor sich her, Richtung Zuhause. »Geben Sie mir ein paar Minuten, Special Agent Duncan. Ich komme nach, sobald ich mit Kaleighs Eltern gesprochen habe. Richten Sie bitte Miss Ross – meiner Miss Ross – aus, dass sie gehen kann. Ich habe keine weiteren Fragen an sie.«
Er zögerte, hob aber dann die Hand zum Gruß und ging in der entgegengesetzten Richtung davon. Fia drängte Kaleigh die Straße hinunter und wartete, bis Glen außer Hörweite war.
»Was treibst du da eigentlich?«, zischte sie. »Hast du mich telepathisch nicht gehört?«
Das Mädchen sah sie mit großen blauen Augen an. »Nein, hab ich nicht«, sagte sie in jenem widerborstigen Ton, den Fia von menschlichen Teenagern kannte. »Ich bin doch erst zehn Monate alt. Schon vergessen?«
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5
F ia blieb stehen und sah auf Kaleigh hinunter. Es war immer merkwürdig, wenn prominente Clanmitglieder wiedergeboren wurden und die ersten Phasen ihres Lebens neu durchlaufen mussten. Wenn sie erst wieder in die Männer und Frauen hineinwachsen mussten, die sie schon einmal gewesen waren.
Das Mädchen stemmte die Hand in die Hüfte. »Die Gabe ist noch nicht zurückgekommen«, sagte sie in einem Ton, als spreche sie mit einer Schwachsinnigen. »Ich kann dich nicht hören. Ich kann überhaupt nichts von eurem Gewäsch hören.«
Fia packte sie am Arm und ging weiter. »Du solltest nicht so frech zu jemandem sein, der älter ist als du.«
»Wenn du die Güte hättest, dich zu erinnern
– ich
bin älter als
du.«
»Aber ich gehöre zum Hohen Rat und du nicht, Klugscheißerin.«
Kaleigh entwand sich Fias Griff. »Ich weiß nicht, warum du so einen Wirbel machst. Ich habe mich nur umgesehen. Ich wollte wissen, was mit Bobby passiert ist.«
»Das wollen wir alle.« Fia sah den Teenager an. »Und du hast keine Idee? Keine Visionen?«
»Derek meint, da hat wohl jemand zu viele Horrorfilme gesehen und ist Amok gelaufen. Derek ist ein Mensch. Ich habe ihn bei meiner Arbeit im Diner getroffen. Er geht in meine Schule. Er ist ziemlich cool.«
»Du solltest nicht mit Menschen reden.«
»Ich gehe mit ihnen zur Schule. Wie soll ich da nicht mit ihnen reden?« Schon wieder dieser Ton.
Viele Jahre lang waren die Teenager von Clare Point zu Hause unterrichtet worden, aber schließlich, als das 20. Jahrhundert anbrach und der Staat das Bildungswesen zu kontrollieren begann, hatte der Generalrat den Teenagern gestattet, die öffentliche Schule in der Nachbarstadt zu besuchen. Obwohl es manchmal ein wenig verfänglich war, bot dies doch den frisch Wiedergeborenen eine gute Gelegenheit, sich an die Gesellschaft der Menschen zu gewöhnen.
»Wir sollen uns anpassen«, gab Kaleigh zu bedenken. »Weißt du noch?«
»Und du hast nichts zu der Sache mit Bobby beizutragen? Nicht mal ein Gefühl?«, fragte Fia.
Kaleigh war die Wahrsagerin des Clans. Sie verfügte über große telepathische Fähigkeiten und Weisheit, die in jedem Lebenszyklus noch zuzunehmen schienen. Leider waren ihre Gaben noch nicht wiedergekehrt, da sie erst kürzlich wiedergeboren worden war. Nach der Wiedergeburt brauchten die meisten Vampire acht bis zehn Jahre, um erwachsen zu werden. Es war immer eine gefährliche Zeit für den Clan, wenn Kaleigh einen neuen Lebenszyklus begann, denn sie verließen sich in hohem Maße auf ihre Führung und ihren Schutz.
»Derek ist wirklich süß«, fuhr Kaleigh fort.
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