Eternally - Cach, L: Eternally
es war zu dunkel im Raum. Sie stieß sich vom Tisch ab und ging hin.
Caitlyn wartete einen Moment, dann folgte sie ihr. Sie hatte das Gemälde bereits kurz ein zweites Mal betrachtet, aber es war ihr nichts daran aufgefallen. Und vor den anderen Mädchen im Großen Salon war es ihr unangenehm gewesen, es genauer zu studieren. Als es spät wurde und die anderen Mädchen die Lichter ausmachten und den Salon verließen, um schlafen zu gehen, tauchte das Bild auf beunruhigende Weise wieder in Caitlyns Kopf auf. Und als sie dann schließlich allein war, hatte sie Angst gehabt, den Raum zu durchqueren, um es noch einmal zu betrachten. Lieber hatte sie sich in ihr Buch vertieft.
Naomi fand den Schalter für den Strahler, der auf das Bild gerichtet war, und schaltete ihn an.
Das Gemälde, das ein Meter zwanzig mal zwei Meter vierzig maß, tauchte in einer Explosion aus blassen Rosatönen, Türkis und Gold aus der Dunkelheit auf. Fortuna stand in ihren wallenden Gewändern auf einer Wolke neben einem großen schwarzen Rad mit zwölf Speichen. Auf der Nabe in der Mitte sowie an den Endpunkten der Speichen am Radkranz befanden sich goldene Scheiben. Jede Scheibe am Radkranz war außen mit einem andersfarbigen Edelstein besetzt und hatte in der Mitte ein anderes weibliches Gesicht eingeprägt. Caitlyn beugte sich vor, um zu sehen, wie der Maler Fournier die Illusion dreidimensionaler Gesichter und Edelsteine mit seinen Ölfarben erschaffen hatte. Die Scheibe im Zentrum des Rads hatte kein Gesicht, sondern einen großen Rubin in ihrer Mitte.
Fortuna schwebte in einem Himmel, der vom Licht der magischen Stunde vor Sonnenuntergang erleuchtet war. Hinter ihr türmten sich hohe Wolkenberge. Aus der Erde links unterhalb ragte ein goldener Felsen auf, auf dem das Château de la Fortune thronte. Rechts tat sich in der Erde ein schwarzer Abgrund auf, aus dem ein Drache emporstieg. Ein Ritter in glänzender Rüstung, der auf einem Pferd saß, kämpfte gegen den Drachen. Er trug einen weißen Schild mit einem roten Kreuz darauf und durchbohrte mit seiner Lanze den Hals des Drachen.
Caitlyns Herz setzte einen Schlag aus. Der Ritter der Kelche? Nein – dieser Ritter hier sah kriegerisch aus und hatte nichts von Raphaels Schönheit.
Caitlyn studierte Fortunas kraftvollen Körper in den hellblauen Gewändern und die Schärpe mit der Aufschrift Fortuna Imperatrix Mundi . Fortunas rosige Lippen waren geöffnet, als wollte sie etwas sagen, aber die Augenbinde versteckte jeden Hinweis darauf, was es sein könnte. Ihr dunkles Haar war zu einem kunstvoll geflochtenen Kranz aufgesteckt, nur einige lange Locken, die den Umrissen der Wolken entsprachen, hingen auf die Schultern hinab. »Wer, glaubst du, ist der Ritter?«
Naomi prustete. »Der heilige Georg natürlich.«
»Hey, wieso ›natürlich‹«, verteidigte sich Caitlyn. »Ich bin nicht gläubig. Mit Heiligen kenne ich mich nicht aus.«
»Tut mir leid! Er ist nur so bekannt in Europa. Er ist der Schutzheilige von England und ein paar Dutzend anderen Ländern. Der heilige Georg, der den Drachen tötet und so weiter.« Naomi deutete auf den Schild. »Das rote Kreuz des heiligen Georg. Man sieht es auch auf den Wappenröcken der Tempelritter.«
Caitlyn horchte auf. »Die Tempelritter. Der heilige Georg ist also auf dem Gemälde wegen der Legende von einem Tempelritter, dem einst die Burg gehörte und der seinen gestohlenen, verfluchten Schatz unter ihr vergrub.«
Naomi zuckte mit den Schultern. »Ja, ich glaube schon.«
»Es wäre toll, wenn der Schatz noch hier wäre, oder?«
»Klar.« Naomi blickte zu dem Bild auf. »Weißt du, ich wette, dass die ganze Geschichte von der Frau in Schwarz genau hier angefangen hat, mit diesem Gemälde und Fourniers Geschichte, dass er von einer Geisterfrau heimgesucht wurde.«
»Die Frau in Schwarz?«
Naomi sah sie listig an. »Ich bin nicht sicher, ob ich dir so spät in der Nacht von ihr erzählen soll. Dann kannst du vielleicht gar nicht mehr schlafen. Hast du Angst vor Gespenstern?«
Caitlyn kicherte nervös und dachte an die Kreischer und den merkwürdigen Herzschlag in dem Abstellraum. »Du hast keine Ahnung, wie sehr. Absolute Todesangst.«
»Gut!« Naomi schaltete den auf das Porträt gerichteten Lichtstrahler aus, ging zu der Couch vor dem Kamin und kuschelte sich in einer Ecke zusammen. Caitlyn setzte sich zu ihr, zog die Beine an und schlüpfte unter eine Decke. Sie hatte vor einiger Zeit im Kamin ein Feuer angemacht und ab und zu
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