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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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dass mit ihm auch das Wissen um die eigene Sterblichkeit zu Ende geht: «Die Lebenden wissen, dass sie sterben müssen, die Toten aber wissen gar nichts mehr.» (Prediger 9,5) Gerade in neuerer Zeit ist das Nachdenken über das Sterben stärker verbreitet als das Nachdenken über den Tod. Das Sterben anderer Menschen haben manche schon erlebt, vielleicht auch selbst schon Sterbensangst gehabt. Der Tod dagegen ist dem Menschen unbekannt, denn im Tod zu sein bedeutet nichts zu wissen, also auch vom Tod kein Bewusstsein zu haben. Auch Nahtoderfahrungen sind keine Todeserfahrungen.
    Trotzdem haben sich Philosophie und Theologie nicht nur dem Sterben zugewandt, sondern auch zu deuten versucht, was es mit dem Tod auf sich hat. Eine verbreitete, in klassischer Form von dem griechischen Philosophen Platon in seinem Dialog Phaidon formulierte Deutung versteht den Tod als Trennung von Leib und Seele. Zwar kommt mit dem Tod die leibliche Existenz des Menschen ans Ende, aber da er nicht nur Leib, sondern auch Seele und Geist ist, ist der Tod nicht das Ende des Menschen schlechthin, sondern nur das Ende seines Leibes. Die Seele (beziehungsweise der Geist) stirbt nicht, sondern wird nach der platonischen Deutung im Tod von den Bedingungen der endlichen Existenz befreit.
    Eine andere, vor allem in der biblischen Überlieferung verankerte Deutung folgt dieser Trennung des Leibes von Seele und Geist nicht. Dass der Leib des Menschen stirbt, bedeutet, dass der Mensch
als
Leib stirbt. Die Hoffnung über den Tod hinaus gründet nicht in den menschlichen Seelenkräften, die der Macht des Todes entzogen sind. Sie richtet sich auf die Treue Gottes, der keinen Menschen fallen lässt. Diese auf Gott gerichtete Hoffnung verbürgt eine Zukunft über den Tod hinaus. Im christlichen Denken stützt sich diese Hoffnung auf die Befreiung des gekreuzigten Christus aus dem Tod. Dass Gott von sich aus zu diesem Toten in Beziehung tritt und aus seinem Tod Leben entstehen lässt, ist der entscheidende Grund menschlicher Hoffnung über den Tod hinaus (Jüngel 1971: 59ff.).
    Mit dem Tod gehen alle Beziehungen zu Ende, die ein Mensch eingeht und aufrechtzuerhalten vermag: die Beziehung zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Welt und zu Gott. Mit dem Tod tritt der als Beziehungswesen geschaffene Mensch in die Beziehungslosigkeit ein. In biblischen Texten wird der Tod als «der Sünde Sold» bezeichnet (Römer 6,23), denn im Tod wird der Abbruch aller Beziehungen manifest, der in der sündigen Selbstabschließung des Menschen schon das Leben überschattet. Wer im Leben die Befreiung aus dieser Selbstabschließung erfahren hat, braucht die Beziehungslosigkeit nicht zu fürchten, die ihn im Tod erwartet. Denn er vertraut darauf, dass die Beziehungen, die er als Toter nicht mehr von sich aus aufrechterhalten kann, dennoch lebendig bleiben. Es wird Menschen geben, die sich an ihn erinnern, und auch im Tod wird er nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.
    In früheren Zeiten war der Tod fraglos ein Teil des Lebens. Matthias Claudius schließt sein Gedicht «Der Mensch» mit den schlichten Zeilen: «Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,/und er kömmt nimmer wieder.» (Claudius 1984: 248) Zu Bauernhäusern gehörte früher eine Sterbekammer, in der alte und kranke Familienmitglieder ihre letzte Lebenszeit verbrachten und die Angehörigen sich zum Abschied versammelten. Der Begräbnisweg verband Wohnhaus und Friedhof miteinander; die Gräber, an denen man sich der Vorfahren erinnerte, befanden sich mitten im Dorf. Die Riten von Abschied, Bestattung und Erinnerung kreisten um die Beziehungen, die zu dem Toten bestehen bleiben, obwohl er selbst in die Beziehungslosigkeit eingetreten ist. Zum Abschied gehörte das Versprechen, dass des Toten auch in Zukunft gedacht wird; sein Grab wurde als Ort des Erinnerns gestaltet, und er wurde der Gottesbeziehung anvertraut, die kein Mensch von sich aus über den eigenen Tod hinaus aufrechterhalten kann.
    Diese Riten waren in Lebensform und Lebensrhythmus eingebettet. Mit den Veränderungen der Lebenswirklichkeit wandelten sich auch die Rituale des Abschieds. Welche Haltungen sich mit künftigen Ritualen verbinden werden, ist ungewiss. Doch Rituale des Abschieds und des Erinnerns sind unentbehrlich dafür, das Sterben als Teil des Lebens zu verstehen und Beziehungen zu anderen auch dann aufrechtzuerhalten, wenn sie selbst in die Beziehungslosigkeit eingetreten sind. Dabei sollte bewusst bleiben, dass die Erinnerung an einen

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