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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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Kranken Gastrecht zu gewähren und für ihn zu sorgen wie für einen Gast
(hospes)
. Neben die Hospize traten die Hospitäler, Orte, an denen Kranke Aufnahme und Beistand fanden.
    Im Jahr 1948 bekräftige die «Genfer Erklärung», der Hippokratische Eid der Moderne, dass die Gesundheit des Patienten das erste Anliegen des Arztes sei. Die heutige Fassung fügt hinzu, dass jeder, unabhängig von Alter, Krankheit oder Behinderung, von Bekenntnis, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Nationalität, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung oder sozialem Status gleiche Achtung verdient, so dass solche Unterschiede nicht zwischen die ärztliche Pflicht und den Patienten treten dürfen. Das ärztliche Ethos orientiert sich damit nicht nur an der Hilfsbedürftigkeit des Patienten, sondern auch an dem Gleichheitsgedanken der Menschenrechte. Die Orientierung am Wohl des Hilfsbedürftigen verbindet sich mit der Verpflichtung auf Gerechtigkeit, die nicht nur durch das Gesundheitssystem im Ganzen, sondern auch durch den einzelnen Arzt zu achten ist.
    Gibt es neue Herausforderungen in der Medizin, die auch neue ethische Überlegungen nötig machen? Ein medizinischer und ein politischkultureller Vorgang haben die Situation grundlegend verändert.
    Der Epochenwechsel in der Medizin ist offenkundig. An heutigen Maßstäben gemessen, musste die Medizin früherer Zeiten vielen gesundheitlichen Veränderungen einfach ihren Lauf lassen. Geburt und Tod, Kindbettfieber und Epidemien, Organversagen und Infektionen – das meiste an diesen Vorgängen war dem ärztlichen Handeln entzogen. In einer rasanten, Staunen erregenden Weise hat sich dies verändert: Verbesserung der hygienischen Verhältnisse, Impfstoffe und Antibiotika, Organtransplantation und Intensivmedizin, In-Vitro-Fertilisation undPalliativmedizin – vom Anfang bis zum Ende des menschlichen Lebens erstreckt sich ein ärztliches Handlungskonzept, das unter anderem die Frage aufwirft: Schuldet der Arzt dem Menschen alles, was er medizinisch kann? Ist der Einzelne verpflichtet, alle Möglichkeiten der Medizin in Anspruch zu nehmen?
    Auch das politisch-kulturelle Paradigma hat sich verändert. Mit der Anerkennung unantastbarer Menschenrechte setzt sich der Grundsatz individueller Selbstbestimmung durch. Ärztliches Handeln kann sich deshalb nicht mehr allein am Gedanken der Fürsorge für den Patienten orientieren, sondern ist zugleich an die freie Selbstbestimmung des Patienten gebunden. Selbstbestimmung, Schadensvermeidung, Fürsorge und Gerechtigkeit gelten in der herrschenden Medizinethik als die obersten medizinethischen Prinzipien (Beauchamp/Childress 2001; vgl. Schöne-Seifert 2007: 32). Gerade das erste dieser Prinzipien ist auf zureichende Rahmenbedingungen angewiesen. Der Patient kann den Informationsvorsprung des Arztes in aller Regel nicht ausgleichen und ist bei seinen Entscheidungen weithin von den ärztlichen Vorgaben abhängig. Das nach ärztlicher Einsicht Notwendige und das vom Patienten in einer «informierten Zustimmung» Akzeptierte müssen zusammengebracht werden. Die Freiheit des Patienten schließt das Recht ein, auf medizinisch mögliche Interventionen zu verzichten; an Krebserkrankungen in einem fortgeschrittenen Stadium wird das beispielhaft deutlich. Die Gesundheitsverantwortung des Patienten ist in all diesen Zusammenhängen genauso wichtig wie die Informationspflicht des Arztes. Gesundheitskommunikation wird zu einem entscheidenden Thema – besonders in einer kulturell pluralen Gesellschaft.
Knappe Ressourcen im Gesundheitswesen
    Eine weitere Herausforderung tritt hinzu: Die erweiterten medizinischen Möglichkeiten geraten in Konflikt mit der Begrenztheit der Ressourcen. Das gilt nicht nur für den Mangel an Spenderorganen für die Organtransplantation, sondern für das Gesundheitswesen insgesamt. Dafür ist in hoch entwickelten Gesellschaften der demographische Wandel ausschlaggebend. Er ist durch einen doppelten Alterungsprozess
(double aging)
geprägt. Zum einen muss angesichts niedriger Geburtenzahleneine geringer werdende Zahl von Menschen im aktiven Arbeitsleben für die Sozialversicherungskosten einer wachsenden Zahl Älterer aufkommen. Zum andern steigt dank der Fortschritte von Medizin, Hygiene und Arbeitsschutz die durchschnittliche Lebenserwartung (vgl. Deutscher Ethikrat, Gesundheitswesen, 2011: 16). Eine längere Lebensdauer lässt nicht nur eine größere Zahl von Erkrankungen erwarten, sondern diese Zahl steigt im höheren

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