Etwas ist faul
in unangenehmem Ton.
»Ich habe zu viel Angst, dabei verletzt zu werden.«
»Aha! So ist das also! Dann werde ich Ihnen zumindest die Nase lang ziehen.«
Wütend stürzte der junge Mann auf George los. Was dann genau geschah, war schwer zu erkennen; er beschrieb jedoch einen halben Bogen durch die Luft und landete mit einem dumpfen Dröhnen auf dem Fußboden. Leicht betäubt raffte er sich wieder auf.
Mr Rowland lächelte erfreut.
»Wie ich gerade sagte«, bemerkte er, »habe ich immer Angst, verletzt zu werden. Aus diesem Grunde hielt ich es für angebracht, Jiu-Jitsu zu erlernen.«
Darauf folgte eine Pause. Die beiden Ausländer betrachteten zweifelnd den so liebenswürdig aussehenden jungen Mann, als hätten sie plötzlich erkannt, dass hinter der angenehmen Nonchalance seines Benehmens irgendeine gefährliche Eigenschaft lauere. Der junge Teutone war kalkweiß vor Wut.
»Das werden Sie bereuen«, zischte er.
Der Ältere bewahrte seine würdevolle Haltung.
»Ist das Ihr letztes Wort, Lord Rowland? Sie weigern sich, uns den Aufenthaltsort Ihrer Hoheit mitzuteilen?«
»Ihr Aufenthaltsort ist selbst mir unbekannt.«
»Sie werden kaum annehmen, dass ich Ihren Worten glaube!«
»Ich fürchte, Sie sind überhaupt ein ungläubiger Mensch, Sir.«
Der andere schüttelte hingegen nur den Kopf und murmelte: »Damit ist der Fall noch nicht beendet. Sie werden wieder von uns hören.« Damit verließen die beiden den Raum.
George fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Die Ereignisse entwickelten sich mit verwirrender Geschwindigkeit. Offenbar war er in einen erstklassigen europäischen Skandal verwickelt.
»Vielleicht bedeutet das sogar einen neuen Krieg«, sagte George hoffnungsvoll, als er wie ein Jagdhund durch das Hotel strich, um festzustellen, was aus dem Mann mit dem schwarzen Bart geworden war.
Zu seiner großen Erleichterung entdeckte er ihn im Aufenthaltsraum, wo er in einer Ecke saß. George setzte sich in eine andere Ecke. Nach etwa drei Minuten stand der Schwarzbärtige auf und ging zu Bett. George folgte ihm und sah ihn in seinem Zimmer verschwinden und die Tür schließen. George stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Ich brauche dringend meine Nachtruhe«, murmelte er. »Ganz dringend.«
Dann kam ihm ein grässlicher Gedanke. Angenommen, der Schwarzbärtige hatte gemerkt, dass George auf seiner Spur war? Angenommen, er entwischte im Laufe der Nacht, während George gerade den Schlaf des Gerechten schlief? Nach einigem Überlegen von wenigen Minuten Dauer fiel Mr Rowland eine Möglichkeit ein, auch mit dieser Schwierigkeit fertigzuwerden. Er räufelte eine seiner Socken auf, bis er einen ausreichend langen Wollfaden von neutraler Farbe hatte, schlich dann geräuschlos aus seinem Zimmer, klebte das eine Ende des Fadens mit einer Briefmarke an die Tür des Fremden und legte schließlich den Faden bis in sein eigenes Zimmer. Dort knotete er das andere Ende an eine kleine silberne Glocke – ein Erinnerungsstück an das Vergnügen der letzten Nacht. Mit einem gut Teil Befriedigung betrachtete er die Anlage. Sollte der schwarzbärtige Mann versuchen, sein Zimmer zu verlassen, würde George sofort durch das Klingeln der Glocke geweckt werden.
Nachdem diese Angelegenheit geregelt war, verlor George keine Zeit, sein Bett aufzusuchen. Das kleine Päckchen legte er sorgfältig unter das Kopfkissen. Dabei fiel er vorübergehend in trübe Überlegungen. Seine Gedanken hätten folgendermaßen übersetzt werden können: Anastasia Sophia Marie Alexandra Olga Elizabeth. Verdammt noch mal, einen Vornamen habe ich ausgelassen. Wenn ich jetzt bloß wüsste…
Angesichts seines Unvermögens, die Situation zu erfassen, war er unfähig, sofort einzuschlafen. Was sollte das alles? Worin, bestand die Verbindung zwischen der entflohenen Großherzogin, dem versiegelten Päckchen und dem schwarzbärtigen Mann? Wovor befand die Großherzogin sich auf der Flucht? Waren die Ausländer sich bewusst, dass das versiegelte Päckchen sich in seinem Besitz befand? Und was enthielt es aller Voraussicht nach?
Während er noch über diese Dinge nachdachte und dabei das leicht irritierte Gefühl hatte, ihrer Lösung keinen Schritt näher gekommen zu sein, schlief Mr Rowland ein.
Geweckt wurde er vom leisen Klingeln einer Glocke. Da er nicht zu jenen Menschen gehörte, die aufwachen und sofort aus dem Bett springen, brauchte er rund eineinhalb Minuten bis zu der Erkenntnis, was eigentlich los war. Dann allerdings sprang er
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