Eulen
Leid, waff du gemacht hafft?«, sagte Dana hämisch.
Roy merkte, wie ihm schwarz vor Augen wurde. Der Besenstiel glitt ihm aus den Händen, seine Ohren füllten sich mit dem Geräusch zusammenschlagender Wellen. Danas Griff war erdrückend, aber noch konnte Roy die Beine bewegen. Mit aller Kraft, die ihm geblieben war, fing er an, um sich zu treten.
Einen Moment lang geschah gar nichts – dann fühlte Roy, wie er fiel. Er landete auf dem Rücken, so dass sein Rucksack den Aufprall milderte. Er konnte noch immer nichts sehen in der Dunkelheit, aber aus Danas Wimmern schloss er, dass er ihn an einem höchst empfindlichen Körperteil getroffen haben musste.
Roy wusste, dass er schnell handeln musste. Er versuchte sich auf den Bauch zu rollen, aber er war schwach und bekam seit Danas Würgegriff nur mühsam Luft. Hilflos lag er da, wie eine Schildkröte, die jemand auf den Rücken gedreht hat.
Als er Danas Wutschrei hörte, schloss er die Augen und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Dana stürzte sich auf ihn und umklammerte Roys Hals mit seinen beiden Metzgerhänden.
Das war’s, dachte Roy. Dieser Idiot bringt mich echt um. Roy fühlte, wie ihm heiße Tränen über die Wangen liefen.
Tut mir Leid, Mom. Vielleicht könnt ihr ja noch mal einen Versuch machen, Dad und du …
Plötzlich flog die Tür der Besenkammer auf und das Gewicht, das auf Roys Brust gelastet hatte, war auf einmal weg. Er öffnete die Augen und sah gerade noch, wie Dana Matherson hochgehoben wurde. Seine Arme baumelten hin und her, auf seinem Schweinegesicht lag ein völlig verdatterter Ausdruck.
Roy blieb am Boden liegen, schnappte nach Luft und versuchte zu begreifen, was da gerade passiert war. Vielleicht hatte Mr. Ryan ja gehört, dass in der Besenkammer gekämpft wurde – er war so stark, dass er Dana wie einen Strohsack hochheben könnte.
Endlich konnte Roy sich auf den Bauch rollen und kam auf die Füße. Er tastete nach dem Lichtschalter und bewaffnete sich wieder mit dem Besenstiel, für alle Fälle. Als er den Kopf zur Tür hinausstreckte, sah er, dass der Gang menschenleer war.
Er ließ den Besen fallen und lief auf den nächsten Ausgang zu. Fast hätte er es geschafft.
10
»Ich hab meinen Bus verpasst«, murmelte Roy.
»Na und? Ich verpass gerade mein Fußballtraining«, sagte Beatrice.
»Was ist mit Dana?«
»Er wird’s überleben.«
Nicht Mr. Ryan hatte Roy davor bewahrt, in der Besenkammer erwürgt zu werden – Beatrice Leep war es gewesen. Anschließend hatte sie Dana Matherson alle Klamotten bis auf die Unterhosen heruntergerissen und ihn an den Fahnenmast vor dem Verwaltungsgebäude der Schule gefesselt. Dann hatte sie sich ein Fahrrad »ausgeliehen« und Roy mit Gewalt auf dem Lenker platziert. Nun radelte sie mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit durch die Straßen – und Roy hatte keine Ahnung, wohin. Er fragte sich, ob es sich rein rechtlich gesehen um eine Entführung handelte. Es musste doch ein Gesetz geben, wonach es verboten war, dass ein Schüler einen anderen vom Schulgelände verschleppte.
»Wohin fahren wir überhaupt?« Er nahm an, dass Beatrice die Frage wieder ignorieren würde, wie schon zwei Mal zuvor.
Aber dieses Mal antwortete sie: »Zu dir nach Hause.«
»Was?«
»Halt jetzt bitte den Mund, ja? Ich hab eine Saulaune.«
Roy merkte an ihrem Tonfall, dass sie ziemlich aufgeregt war.
»Du musst mir einen Gefallen tun, jetzt gleich«, sagte sie.
»Klar. Was du willst.«
Was sollte er auch sonst sagen? Er klammerte sich verzweifelt am Lenker fest, während Beatrice über Kreuzungen schoss und in Zickzacklinien zwischen den Autos hindurchpreschte. Sie war eine geübte Radlerin, trotzdem war Roy nervös.
»Verbandmaterial, Pflaster. Desinfektionsmittel«, sagte Beatrice. »Hat deine Mom so was?«
»Natürlich.« Die Hausapotheke seiner Mutter hätte ausgereicht, um eine kleinere Notaufnahmestation auszustatten.
»Gut. Jetzt brauchen wir nur noch ’ne gute Ausrede.«
»Was ist eigentlich los? Wieso kannst du das Zeug nicht bei dir zu Hause kriegen?«
»Weil dich das ’nen Dreck angeht.« Beatrice biss die Zähne zusammen und trat noch fester in die Pedale. Roy hatte das ungute Gefühl, dass mit Beatrice’ Stiefbruder, dem rennenden Jungen, irgendwas Schlimmes passiert sein musste.
Mrs. Eberhardt machte ihnen die Tür auf. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht, Liebes. Hat der Bus Verspätung gehabt? Oh – wer ist denn das?«
»Mom, das ist Beatrice. Sie hat mich mitgenommen, auf
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